Corona – und ein anderes Szenario danach: Inflation

In dem Beitrag "Corona und danach" hatten wir aufgezeigt, wie es nach Corona wahrscheinlich weitergehen wird: weder Inflation noch Deflation trotz vorhandener Tendenzen in beide Richtungen, die sich aber gegenseitig neutralisieren. Es könnte aber – wenn auch etwas weniger wahrscheinlich – eben auch zur Inflation kommen.

Der Verlauf könnte etwa so sein: Die Maßnahmenpakete der Regierungen wirken. Dank erleichtertem Kurzarbeitergeld, Direktzahlungen, Steuerstundungen, Garantien bei verminderten Mietzahlungen usw. ist die Nachfrage nicht so heftig eingebrochen, wie zunächst befürchtet. Da aber viele Firmen – auch mittelständische Betriebe – insolvent sind, ist insgesamt das Angebot reduziert. Es trifft also eine weitgehend stabil gebliebene Nachfrage auf ein gesunkenes Angebot. Die Produktion wird nicht so schnell wieder hochgefahren, wie es notwendig wäre, um die Nachfrage zu befriedigen. Daher erhöhen die verbliebenen Unternehmen die Preise. Trotzdem wächst das Angebot nicht schnell genug, denn auch die Chance, höhere Preise erzielen zu können, kann in manchen Bereichen wegen der vorherigen Insolvenzen nicht schnell genug genutzt werden. Einige Unternehmen verfügen zwar über hohe Liquidität, investieren aber nicht so sehr in Ausweitung der Produktion, sondern kaufen Aktien zurück oder erwerben Immobilien. Und die Bereiche, in denen investiert wird, sind möglicherweise nicht diejenigen, deren Wachstum bzw. deren Angebot eigentlich besonders notwendig wäre, um die höhere Nachfrage schnell zu befriedigen. Die Inflation könnte daher über das frühere Ziel der EZB – „unter aber nahe bei 2%“ – hinaus anwachsen, eben auch aufgrund der staatlichen Maßnahmen. So könnte es neben darniederliegenden Bereichen auch welche mit guter und sehr guter Konjunktur geben.

Dann steht die EZB vor dem Dilemma, wann sie - nach hergebrachter Theorie - die Zinsen anheben soll, um diese einsetzende Konjunktur nicht überschießen zu lassen. Kommt diese Anhebung zu früh, wird die Belastung aus dem Schuldendienst für die verschuldeten Staaten und Unternehmen, aber auch Privatpersonen untragbar hoch. Wenn zu spät eingegriffen wird, hat die Inflation schon ein zweistelliges Niveau erreicht und ist schwieriger wieder einzudämmen. Und der Schuldendienst kann trotzdem noch zu hoch sein, obwohl ja Inflation generell die Kreditnehmer begünstigt: Die Schulden müssen „nur“ mit einem Geld getilgt werden, das nun weniger wert ist. Ein höheres Preisniveau erleichtert generell die Schuldentilgung. Wenn aber bereits vorhandene große Schuldenberge nun höher verzinst werden müssen, kann diese Last immer noch zu groß werden.

Sonderabgaben auf Vermögen

In einem Inflationsszenario müssten nun Sonderabgaben auf Immobilien und Sachvermögen verordnet werden, um den Inflationsdruck zu reduzieren. Den Eigentümern dieser Vermögensgegenstände fließt ohne ihr Zutun durch den inflationären Preisanstieg ihres Eigentums ein weiterer unverdienter Vermögenszuwachs zu. Allerdings wird es gegen eine solche Abgabe natürlich heftigen Widerstand geben. Beispielhaft zeigte sich dies bereits vor der Corona-Krise im Widerstand der Immobilienverbände gegen die bundesweite Einführung der Bodenwertsteuer.

Wäre also ein „Währungsschnitt“ – also das systematische Streichen von Schulden und Geldguthaben im großen Stil – in dieser Situation wahrscheinlich oder zumindest hilfreich? Angesichts der weltweit hohen Verschuldung – die natürlich die Kehrseite der hohen Guthabenbestände „der Sparer“ ist – wird oft schon länger vom drohenden Platzen einer Blase gesprochen und ein kommender Währungsschnitt prognostiziert. Offen war immer nur, wodurch das Platzen ausgelöst würde. Mit der Corona-Krise wäre der Auslöser da. Normalerweise führt das Platzen einer Blase zu einer starken Rezession verbunden mit großen Einbrüchen an den Börsen sowie deflationären Tendenzen – also dem genauen Gegenteil einer Inflation. Eine Deflation kann aber mit einem Währungsschnitt nur sehr bedingt bekämpft werden, denn ein solcher geht mit großer Verunsicherung und einem massiven Vertrauensverlust einher und wirkt dadurch selbst deflationär.

Allerdings kann ein Schuldenschnitt in der Tat zur Bekämpfung einer Inflation genutzt werden: Durch den Schnitt werden die Schulden niedrig genug, sodass die Zentralbank nun effektiv die Leitzinsen anheben könnte und dadurch die Inflationsraten wieder senken würde. Außerdem sendet ein Währungsschnitt selbst wie beschrieben ebenfalls ein deflationäres Signal. Doch auch gegen einen Währungsschnitt wird es natürlich heftigen Widerstand geben, man erinnere sich nur an die Situation in Griechenland! Außerdem würden die Eigentümer der Sachvermögen damit bevorzugt. Die oben genannte Sonderabgabe wäre verglichen mit dem Währungsschnitt eindeutig das bessere Instrument. Aber vermutlich wird man im Falle steigender Inflationsraten diese einfach laufen lassen. So würde sich mit der Zeit der reale Schuldenabbau von selbst erledigen. Allerdings ist diese durchaus beliebte Aussitzen-Strategie sehr riskant: Einerseits erzeugt eine längere Phase hoher Inflationsraten eine hohe Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die zu politischen Verwerfungen führen kann, und zugleich ist es kaum möglich, hohe Inflationsraten durch die Geldpolitik zu kontrollieren und zu steuern.

Negative Zinsen sind jetzt hilfreicher denn je

Das erste Szenario – ein eher leicht deflationäres Weiter-So – ist aus heutiger Sicht wahrscheinlicher als das hier dargestellte Szenario mit einem nennenswerten Anstieg der Inflation. Und wie bereits dargestellt, ist in jedem Fall ein negativer Zins unter Einbezug des Bargelds deutlich hilfreicher als eine lang andauernde schleichende Inflation oder ein Währungsschnitt. Durch eine Bargeldgebühr kann die Finanzblase über längere Zeit kontrolliert schrumpfen.

Dieses Schrumpfen der Finanzblase, die Verkleinerung von Guthaben und Schulden, sind aber unausweichlich nötig. Die Ursache für ihr Entstehen war die stetig wachsende Gesamtverschuldung der nicht-finanziellen Sektoren nach dem 2. Weltkrieg gemeinsam mit einer inzwischen untragbar großen Ungleichheit in der Verteilung der Vermögen. Ein Wachstum der Gesamtverschuldung geht immer einher mit dem Wachstum der Guthaben. Man kann daher nicht einseitig die Schuldner dafür verantwortlich machen!

Siehe auch:

Alwine Schreiber-Martens, Corona und danach