Die Bankzinserträge stellen eine wirtschaftliche Schlüsselgröße dar. Sämtliche Einnahmen aus dem Zinsgeschäft aller deutschen Geschäftsbanken sind darin zusammengefasst. Die Zinsbelastung einer Volkswirtschaft lässt sich daher an dieser Zahl deutlich ablesen. Die Bundesbank ist nicht nur Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), sondern nimmt auch die Rolle der obersten statistischen Meldebehörde für das gesamte deutsche Bankwesen ein. Die Zahlen haben daher Gewicht.
Helmut Creutz hat in einer seiner bekannten Grafiken über Jahre die Entwicklung der Bankzinserträge dokumentiert (Nr. 118a). Seine Grafik wurde hier ergänzt durch die Provisionsüberschüsse (Nr. 118c), hier in grün, und verlängert bis einschließlich 2019.
Neben den Bankzinserträgen spielen zwei weitere Größen eine wichtige Rolle. Unter Bankzinsaufwendungen bezeichnet die Bundesbank sämtliche Ausgaben der Geschäftsbanken im Zinsgeschäft. Die Zinsaufwendungen sind ebenfalls eine volkswirtschaftliche Schlüsselgröße. Anhand der Bankzinsaufwendungen lässt sich ablesen, wie viele Zinsen an die Guthabenbesitzer (vor allem an Privatpersonen und Unternehmen) zurückgeflossen sind. Allerdings gehen die Zinsaufwendungen der Banken nicht gleichmäßig an alle Haushalte: an Haushalte ohne Geldvermögen per Definition überhaupt nicht, den meisten Haushalten mit Zinseinnahmen stehen noch höhere Zinsausgaben (direkte und indirekte) gegenüber, und nur sehr reiche Haushalte mit hohen Geldvermögen machen Gewinn.
Die Bankmarge oder der Zinsüberschuss bezeichnet den Gewinn aus dem Zinsgeschäft, der nach Abzug der Bankzinsaufwendungen bei den Banken verbleibt. Die folgende Rechnung zeigt, wie die Größen miteinander zusammenhängen:
Bankzinserträge - Bankzinsaufwendungen = Zinsüberschuss/Bankmarge
Die Betrachtung der Zahlen1 erlaubt folgende Schlussfolgerungen:
Kreditzinsen: Bankzinserträge weiter gesunken
Die Bankzinserträge sind 2019 im Vergleich zu 2018 um ca. 5 Mrd. von 167,8 auf 162,8 Mrd. € zurückgegangen. Es mag vielleicht aufgrund der niedrigen Kreditzinsen erstaunen, dass diese Zahl immer noch so groß ist, doch bei den Bankzinserträgen sind auch Erträge aus Krediten enthalten, die vor Jahren zu hohen Zinsen abgeschlossen wurden und eine lange Laufzeit haben. Mitnichten ist es daher so, dass die Zinsbelastung der Wirtschaft und der Menschen durch die Niedrigzinsen schlagartig auf null gesunken ist!2
Kompensation durch Ausweitung der Kreditvergabe
»Es fällt den Banken
schwer, die Guthaben -
zinsen im Gleichschritt
mit den fallenden
Kreditzinsen
zu senken.«
Die Banken versuchen, die schwindenden Zinserträge durch eine Ausweitung der Kreditvergabe zu kompensieren. Die verstärkte Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten aufgrund der niedrigeren Zinsen kam den Banken hierbei entgegen. Die Buchkreditvergabe an den Privatsektor stieg 2019 mit 4,8 % zum sechsten Mal in Folge stärker an als im Vorjahr. Absolut erhöhten sich die Buchkredite an den Privatsektor im Jahr 2019 per saldo um 137,5 Mrd. €, die Hälfte davon entfiel auf Kredite für den Wohnungsbau. Hiervon profitierten vor allem die besonders vom Einlagen- und Kreditgeschäft abhängigen Sparkassen und Kreditgenossenschaften (rd. 29 % bzw. 25 %). Die vier Großbanken trugen nur rund 14 % zu der Ausweitung der Kredite bei.
Doch trotz der höheren Kreditvolumina entwickelten sich das Volumen der Zinserträge bei fast allen Bankengruppen erneut rückläufig.
Guthabenzinsen: Zinsaufwendungen sinken nicht im Gleichschritt
Die Zinsaufwendungen, die an Guthabenbesitzer ausgezahlt wurden, sind nicht weiter gesunken, sondern recht konstant bei ca. 80,3 Mrd. geblieben (ca. 80,6 Mrd. im Vorjahr). Sie stagnieren seit 2017. Offenbar fällt es Banken schwer, die Guthabenzinsen im Gleichschritt mit den fallenden Kreditzinsen zu senken, wie sie es eigentlich tun müssten, um ihre Bankmarge aufrechtzuerhalten.
Dies hat mehrere Gründe:
- Während bei den Kreditzinsen die Konkurrenz zwischen den Banken zinssenkend wirkt, wirkt sie bei den Guthabenzinsen in die andere Richtung: Einlagen werden durch möglichst hohe Zinsen eingeworben. Wenn ein Institut seine Einlagenzinsen senken will, riskiert es, dass Kunden Einlagen abziehen, entweder in Form von Bargeld oder als Überweisung an eine andere Bank, die höhere Zinsen zahlt.
- Insbesondere die Großbanken haben versucht, Einlagen (die von ihnen nach der Finanzkrise als eine verlässliche Refinanzierungsquelle neue Wertschätzung erfahren haben) einzuwerben. Dies war ihnen nur möglich, indem sie bessere Konditionen boten als andere.
- Mit dem Bestand an Kunden wurden die Verträge meist vor vielen Jahren geschlossen. Automatische Zinsanpassungen sind nicht immer möglich. Vertragsänderungen oder Vertragskündigungen sind aufwändig und manchmal schwierig.
- Speziell die Einführung negativer Guthabenzinsen ist für die Banken problematisch. Die Nullzinsgrenze stellt eine psychologische Grenze dar, da das negative Vorzeichen von den Kunden direkt mit einem Verlust assoziiert wird. Die Einführung von Negativzinsen kann auch mit einem Imageschaden einhergehen, den die Bank vermeiden will.
- Die Verbraucherzentralen spielen eine unrühmliche Rolle bei der Verhinderung einer ökonomisch sinnvollen Zinsentwicklung. Sie überziehen Banken, die Negativzinsen einführen wollen, mit Klagen.
- Dass solche Klagen erhoben werden, zeigt, dass der Gesetzgeber es bisher versäumt hat, Gesetze und Verordnungen hinreichend an die veränderten ökonomischen Erfordernisse, speziell an die negativen Zinsen, anzupassen.
- Da die Weitergabe der Negativzinsen nicht von der EZB oder dem Gesetzgeber vorgeschrieben wird und auch auf andere Weise keine gleichen Bedingungen für alle Banken hergestellt werden, versuchen die Banken negative Guthabenzinsen so lange wie möglich zu vermeiden bzw. bleiben sie eingeschränkt in der notwendigen Transmission der Zinsen.
Bankmarge: Zinsüberschüsse sinken seit 2013
Für die Bankmarge bedeutet das daher: Alle Banken zusammen nahmen weniger im Zinsgeschäft ein, schütteten aber weiterhin etwa dieselbe Summe an Anleger aus. Die Zinsüberschüsse sind im Vergleich zu 2018 um etwa dieselbe Größe geschrumpft wie die Zinserträge der Banken, nämlich um ca. 4,7 Mrd. € (von ca. 87,2 auf ca. 82,5 Mrd. €).3
Diese Tendenz nominal sinkender Zinsüberschüsse lässt sich seit 2013 beobachten.
Kompensation durch andere Einnahmen schwierig
Der Zinsgeschäft, traditionell das größte Ertragsgebiet der Banken, macht 2019 erstmals weniger als 70 % der operativen Erträge aus, Tendenz weiter sinkend.
Neben dem Zinsüberschuss leben Banken vor allem vom Provisionsüberschuss aus ihrem zinsunabhängigen Geschäft. Der Provisionsüberschuss und das sonstige betriebliche Ergebnis stiegen zwar gegenüber dem Vorjahr um 1,7 Mrd. € beziehungsweise um 2,1 Mrd. € an, konnten die Rückgänge beim Zinsüberschuss und Handelsergebnis jedoch nicht ausgleichen.
Da die Banken die Zinsausgaben, sprich: die Guthabenzinsen für ihre Kunden, nicht so reduzieren können, wie sie es eigentlich müssten, sind sie gezwungen, andere Ausgaben zu kürzen. Banken fusionieren im großen Stil, reduzieren ihren Personalbestand und schließen Filialen. Teilweise mag das eine sinnvolle Entwicklung sein, da der Bankensektor speziell in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten fürstlich gelebt hat. Aber den Einsparungen sind natürlich Grenzen gesetzt.
Unterschiede zwischen Bankengruppen
Interessant ist es auch, die unterschiedlichen Bankengruppen zu betrachten. Aus der Aufschlüsselung der Bundesbank geht hervor:
Was für die Gesamtheit aller Banken gilt, kann je nach Bankengruppe unterschiedlich aussehen. Bei den Zinserträgen im engeren Sinne konnten im Vergleich zum Vorjahr nur Groß- und Landesbanken einen deutlichen Anstieg verzeichnen. Die Großbanken verbuchten hier im Jahr 2019 gegenüber 2018 einen Anstieg um 2,2 Mrd. € (7,5 %) auf 31,6 Mrd. €. Die Landesbanken nahmen 2,8 Mrd. € (11,6 %) mehr reine Zinserträge ein (insgesamt 26,7 Mrd. €). In beiden Fällen beschränkten sich die Zuwächse aber nur auf einige Institute. Die Sparkassen verzeichneten einen Rückgang ihres Zinsertrags im engeren Sinne um 0,9 Mrd. € (3,7 %) auf 24,1 Mrd. €. Auch bei den Kreditgenossenschaften reduzierte sich der reine Zinsertrag um 0,4 Mrd. € (2,1%) auf 17,6 Mrd. €.
»Die Transmission
der negativen Zinsen
muss dringend
verbessert werden.«
Das Provisionsgeschäft verlief dagegen besser als im Vorjahr. Die Provisionserträge aller Bankengruppen haben insgesamt um ca. 1,7 Mrd. zugelegt. Sparkassen und Kreditgenossenschaften gehören hier zu den Gewinnern, während die vier Großbanken weniger Provisionserträge erzielen konnten. Der Posten Provisionserträge ist bei anhaltenden Niedrigzinsen besonders zu beachten. Laut Bundesbank werden hier nämlich unter anderem die Kontoführungsgebühren und die Erträge aus dem Immobiliengeschäft verbucht. Sowohl Sparkassen als auch Genossenschaftsbanken geraten somit in den Fokus der Geld- und Bodenreformer, sowohl weil diese besonders hohe Kontoführungsgebühren nehmen (teils, um damit die Einführung negativer Zinsen zu vermeiden), als auch recht aktiv im Immobiliengeschäft unterwegs sind.
Kritik an Negativzinspolitik ökonomisch falsch
Allen Kritikern niedriger Zinsen, die gerne wieder in die Hochzinsphase zurückkehren möchten, sei ein Blick auf das Jahr 2008 nahegelegt. Damals betrugen die Bankzinserträge 441 Mrd. €! Damals hatte die deutsche Volkswirtschaft eine um 278 Mrd. € höhere Zinsbelastung zu tragen als im Jahr 2019. Denn die Zinskosten müssen ja von den Unternehmen erst erwirtschaftet werden, was sich in einer weitgehend gesättigten bzw. stark ungleichen Gesellschaft immer schwieriger gestaltet.
»Einen Abbau von
Überschuldung kann
es perspektivisch
nur geben, wenn die
Zinsen noch stärker
in den negativen
Bereich gehen.«
Medienkritik ist diesbezüglich ebenfalls angebracht. Die Medien machen mit der Mär von der »Enteignung der Sparer« Stimmung gegen die Negativzinspolitik der EZB. Sie haben der Bevölkerung vorgerechnet, welche Zinseinnahmen ihr angeblich entgangen seien, hätten die Zinsen ihre gewohnte Höhe beibehalten. Dass die hohen Zinsen ab 2007 schon zu einer Finanzkrise geführt hatten, wurde dabei allzu gern vergessen.
Gegenüber der medialen Aufmerksamkeit, die beispielsweise dem CumEx-Skandal gewidmet wird, erscheint die öffentliche Aufmerksamkeit für die positiven Effekte der Zinssenkungen verschwindend gering. Laut Tagesschau haben die CumEx-Machenschaften insgesamt 5,3 Mrd. € Schaden über einen Zeitraum von mehreren Jahren in Deutschland angerichtet. Zweifellos ein Skandal, der aufgearbeitet werden muss – aber bei den Bankzinserträgen geht es um Hunderte Milliarden! Ohne die vorgenommenen Zinssenkungen wäre unser Finanzsystem längst vollends zusammen gebrochen. Die Negativzinspolitik der EZB war dringend notwendig.
Weitere Herausforderungen
Unsere Zentralbank, und mit ihr die ganze Gesellschaft, steht jedoch vor weiteren Herausforderungen. Die weit verbreitete Überschuldung und die weitere Kreditausweitung erfordern weiter sinkende Kreditzinsen. Gleichzeitig bedeutet dies, dass Banken in die Lage versetzt werden müssen, die Guthabenzinsen weiter zu senken, insbesondere für die täglich fälligen Einlagen. Die Transmission der negativen Zinsen muss daher dringend verbessert werden. Banken müssen die Negativzinsen unter gleichen Bedingungen an ihre Einleger weiterreichen können. Wenn auch das gehortete Bargeld mit einem von der Zentralbank festgesetzten Negativzins belastet würde, könnten alle Banken die Kundeneinlagen gleichmäßig negativ verzinsen, ohne hier ständigem Konkurrenzdruck zu unterliegen.
Diese Maßnahme ist von entscheidender Bedeutung, denn die aufgrund der Coronakrise steigende Verschuldung wird nur tragfähig, wenn die Zinsen weiter sinken. Und einen Abbau von Überschuldung kann es perspektivisch nur geben, wenn die Zinsen noch stärker in den negativen Bereich gehen.
Thomas Kubo und Beate Bockting
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Der Aachener Geldsystem-Analytiker Helmut Creutz (1923-2017) hat 1993 ein Standardwerk verfasst, das die Entwicklungen im Wirtschafts- und Geldbereich seit Beginn unserer Wirtschaftsepoche kritisch begleitet und darlegt, warum und wodurch es zu den heutigen Problementwicklungen kommen konnte und – aufgrund einprogrammierter Fehlstrukturen in unserem Geldsystem – sogar kommen musste!
Helmut Creutz:
Das Geld-Syndrom. Wege zu einer krisenfreien Wirtschaftsordnung. Durchgesehene und ergänzte Neuausgabe.
Verlag Thomas Kubo 2018.
XVI + 432 + xlv Seiten.
ISBN 978-3-96230-002-5
Preis: 28.00 € (DE), 28.80 € (AT)
Bestellungen unter:
verlag(at)thomaskubo.de
Dieser Beitrag erschien in der FAIRCONOMY 3/2020
[1] Deutsche Bundesbank Monatsbericht September 2020, im Internet unter: https://www.bundesbank.de/resource/blob/844602/9d28b990afb142252ff410be6b92dfd5/mL/2020-09-ertragslage-data.pdf
[2] In den Bankzinserträgen sind zwar sachlich unsauber auch Aktienerträge enthalten, aber die im Verhältnis geringe Summe von 4,8 Mrd. zeigt, dass Aktien für die Geschäftsbanken längst nicht so relevant sind wie das Kreditgeschäft.
[3]