• DE
  • EN

DIW-Chef Fratzscher entgegnet deutschen Notenbank-Nörglern

"Der Mensch ist nicht nur Sparer. Der Wirtschaftsboom in Deutschland hat Millionen neuer Jobs geschaffen und Lohnsteigerungen ermöglicht, die ohne die Geldpolitik nicht möglich gewesen wären", begegnet Fratzscher dem Mythos, die EZB-Geldpolitik wäre eine Enteignung der deutschen Sparer.

Auf dem Börsenportal räumt der Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität Berlin mit 20 Mainstream-Mythen über die geldpolitische Entwicklung auf. Klingt über weite Teile so, als hätte er von der INWO abgeschrieben ;-)

Auslöser war wohl die erneute Kritik vor allem aus Deutschland an der EZB-Politik, die zum Abtritt des EZB-Präsidenten Mario Draghi laut wurde. Mehrere Ex-Notenbanker, darunter die ehemaligen EZB-Chefvolkswirte Otmar Issing und Jürgen Stark und Ex-Bundesbankchef Helmut Schlesinger, hatten sich zusammengetan, um die Niedrigzinspolitik in einem "Memorandum zur Geldpolitik der EZB" zu attackieren.

Marcel Fratzscher betreibt dabei keine deutsche Nabelschau, wie so oft die deutschen EZB-Kritiker, sondern er weitet den Blick. Fratzscher sieht die internationalen Entwicklungen, schließlich war er seit 2008 Leiter der Abteilung International Policy Analysis bei der EZB, bevor er im Februar 2013 DIW-Chef wurde.

Er macht zuallererst deutlich: Die EZB ist nicht alleine verantwortlich für die niedrigen Zinsen. "Die Zinsen sind vor allem das Resultat geringer Investitionen und zu hoher Ersparnisse."

Die niedrigen Zinsen führten nicht einmal zu einer Abnahme der Sparquote, so Fratzscher. Deutschland habe immer noch eine "viel zu hohe Nettoersparnis" von mehr als 200 Milliarden Euro pro Jahr. Dabei hätten 40 Prozent der Deutschen praktisch gar kein Erspartes. Diese seien darauf angewiesen, dass ihre Jobs und Einkommen durch die niedrigen Zinsen geschützt würden. 

200 Milliarden Euro bedeuten, dass im Durchschnitt jede Bürgerin und jeder Bürger jährlich 2500 Euro spart. Trifft das für Ihre Familie zu? Wahrscheinlich nur, wenn Sie zu den Gutverdienenden gehören oder aber über Kapitaleinkommen oder Erträge aus dem Eigentum von Grund und Boden verfügen.

Insgesamt macht die Nettoersparnis hierzulande mehr als sechs Prozent des Bruttoninlandsprodukts, die im nächsten Jahr dem BIP fehlen würden, wenn sie nicht reinvestiert würden. - Doch investiert wird nur, wenn die Zinsen tatsächlich marktgerecht sinken!

 

Quelle:

Gastbeitrag von Marcel Fratzscher: "Top-Ökonom knöpft sich deutsche Notenbank-Nörgler vor" auf Focus Money Online am 26.11.2019, https://www.focus.de/finanzen/boerse/experten/gastbeitrag-von-diw-chef-fratzscher-top-oekonom-raeumt-mit-vorurteilen-auf-20-deutsche-mythen-zu-ezb-geldpolitik_id_11388947.html