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Die Rentenproblematik in Deutschland

Rentner gab es schon, bevor Bismarck die Sozialversicherung einführte. Auch wenn die Zinsen mittlerweile gesunken sind: Dieser Beitrag vom Dezember 2002 ist immer noch lesenswert.

In der Schule haben wir gelernt, dass wir Bismarck (1815-1898) die Sozialversicherung verdanken. Er habe sie nicht aus Edelmut eingeführt, sondern als politische Strategie gegen die erstarkenden Sozialdemokraten. »Rentner« gab es aber vorher schon. Zunächst verstand man darunter nur Leute, die nicht arbeiten müssen, also »von ihrem Geld leben«, weil sie als Kapitalrentner Zinsen aus Boden- oder Kapitalbesitz beziehen. Heute bezeichnet man im Allgemeinen nur noch die Leute, die Anspruch auf eine Rente aus der Sozialversicherung haben, als Rentner. Zur Sozialversicherung gehört die gesetzliche Altersrentenversicherung der Arbeiter und Angestellten. Sofern ihr Einkommen nicht die Pflichtgrenze übersteigt, wird ihnen die Hälfte des Beitrags zwangsweise gleich vom Gehalt abgezogen. Die andere Hälfte zahlt der Arbeitgeber. Jedoch ist auch der Arbeitgeberanteil im Grunde ein Lohnbestandteil. Er kommt nicht aus dem Privatvermögen des Unternehmers oder gar aus einer unbekannten, wundersamen Finanzierungsquelle, sondern wird ganz normal im Arbeitsprozess erwirtschaftet.

Früher verstand man unter Rentnern nur Leute, die nicht arbeiten müssen, die also »von ihrem Geld leben«.

Beginnende Probleme

Wo liegt nun das Problem? Damals bevor Bismarck die Rente für die Armen einführte, mussten arme Leute arbeiten, bis sie nicht mehr konnten, und danach, bis zu ihrem frühen Tod, mussten ihre Kinder für sie sorgen. Je mehr Kinder die Proletarier hatten, umso besser ging es ihnen im hohen Alter. Zunächst wurde die Altersrente für die über 75-Jährigen eingeführt und der geringe Betrag musste aus Steuermitteln aufgebracht werden. Später, und als die Einkommen stiegen, konnten die Renten allmählich erhöht und das Rentenalter herabgesetzt werden.

Das hört sich doch gut an? Noch 1990 war die Rentenkasse so gefüllt, dass die Kohl-Regierung sie mit über 80 Milliarden DM plünderte, um das Wahlversprechen der »blühenden Landschaften« im Osten Deutschlands zu erfüllen. Was ihr aber bekanntermaßen doch nicht gelungen ist. Große Probleme gibt es erst seit der deutschen Wiedervereinigung und weil immer weniger Kinder geboren werden, die zu Berufstätigen und damit zu Rentenbeitragszahlern heranwachsen, und weil die Menschen nach ihrer Verrentung länger leben. Auch hohe Arbeitslosenzahlen sorgen für einen Einnahmerückgang der Rentenkasse. Ganz besonders auf die kommenden Generationen würden ganz schreckliche Belastungen zukommen, denn mit der Rentenreform vom 1.1.92 wurde ein »Generationenvertrag« festgeschrieben. D.h. die Finanzierung der Rentenversicherung beruht auf dem Prinzip des Generationenvertrages: »Die jeweils Aktiven finanzieren die Renten der Inaktiven.« Solange es mehr Junge als Alte und außerdem genügend bezahlte Arbeit gab, war das kein Problem, aber jetzt wird behauptet, die gesetzlichen Altersrenten seien einfach zu hoch. Schon immer bestand ja für den, der sich's leisten konnte oder musste (Selbständige), die Möglichkeit der Alterssicherung durch Abschluss einer Lebensversicherung oder durch Banksparpläne, durch Immobilienerwerb oder Aktienkauf o.ä. Voraussetzung für eine gute Rendite ist dabei neben einer gewissen Risikobereitschaft ein guter Durchblick, solide, fachmännische Beratung und Beziehungen. Um die Rentenkasse zu entlasten, kam unsere Regierung nach der Dotcom-Krise Anfang des Jahrtausends auf die Idee, allen Pflichtversicherten eine staatlich geförderte Möglichkeit für eine gesetzliche private Alterssicherung einzuräumen. Wer eine solche »Riesterrente« abschließt, bekommt einen Zuschuss und hat dann vielleicht mehr Geld im Alter.

 Vermögen heranziehen

Keine Sorgen machen dagegen offenbar die reichen (Kapital-)»Rentner«. Ihre Einkommen ohne eigene Arbeit scheinen gesichert. Dabei muss doch auch hier davon ausgegangen werden, dass immer weniger Arbeitende für diese immer schneller immer höher wachsenden Einkommen aus Zinsen und Zinseszinsen aufkommen müssen. Ist das wirklich nötig? Haben die Reichsten nicht genug, ihren Lebensunterhalt aus ihrem Vermögen zu bestreiten? Warum macht denn niemand den Vorschlag, die Kosten, die unserer Volkswirtschaft durch die Zinszahlungen an die Vermögenden entstehen, einzusparen? Wenn weder der Staat noch Unternehmen noch Private Schuldzinsen zahlen müssten, würde alles viel billiger, und wir könnten mit weniger Geld auskommen. Dann könnten wir unsere Arbeitszeit reduzieren und für mehr Menschen Arbeitsplätze freimachen. Wir könnten dann auch von einer kleineren Rente im Alter gut leben.

Wera Wendnagel, Jahrgang 1931, Ehrenvorsitzende der INWO, feierte am 26. Juni 2021 ihren 90. Geburtstag.
2010 erschien ihre Biografie unter dem Titel »Mariannes Vermächtnis oder wie mir meine Mutter die Freiwirtschaft vererbte« (Ulrike Helmer Verlag).
Ihre Mutter Marianne Hoell gab ihr die freiwirtschaftlichen Ideen als Vermächtnis mit auf den Weg, was nicht zuletzt dazu führte, dass Wera Wendnagel 1992 den Vorsitz der INWO Deutschland übernahm. Sie war 12 Jahre ehrenamtlich im Vorstand der INWO tätig.

Der Beitrag erschien zuerst in r-evolution Nr. 14,Dez. 2002, S. 10, und wurde nur minimalnachbearbeitet.