Gute Argumente waren wohl selten wahlentscheidend. Und es bleibt vorerst offen, ob eine grüne Bundeskanzlerin ausreichend Kompetenzen hätte, die klimazerstörende Wirtschaftspolitik maßgeblich zu verändern. Offensichtlich ist jedoch, dass es potente Interessengruppen gibt, die in einer grünen Regierungsbeteiligung Konsequenzen für ihre Profit-Interessen sehen.
Die Ideologisierung des Wahlkampfes spitzt sich zu. Auch das Handelsblatt versucht mit plumper Meinungsmache die bisherige Klimapolitik der »großen Koalition« über den Wahltag zu retten. Bedauerlich, dass selbst ansonsten kritische Journalisten sich dafür hergeben, mit dem Gespenst des drohenden Politikwandels ihre Leserschaft zu verschrecken.
»Für eine Partei, die sich im Kern dem Klimaschutz verpflichtet hat, sind die Ideen, wie dieses Ziel erreicht werden kann, kaum innovativ. Über das Aufstellen immer radikalerer Forderungen hinaus hat die Partei nichts zu bieten, was nicht auch in den Programmen der anderen Parteien steht«, behauptet Daniel Stelter im Handelsblatt.
Die Grünen haben in ihrem Parteiprogramm eine Forderung stehen, Einnahmen aus einer CO2-Abgabe pro Kopf an die Bevölkerung zurückzuverteilen. Damit würden weit über 70% der Haushalte sofort von steigenden CO2-Abgaben finanziell profitieren. Diese Forderung ist ein krasser Paradigmenwechsel in der bundesdeutschen Nachkriegspolitik. Noch nie hat es eine Partei gewagt, eine Lenkungsabgabe an alle betroffenen Bürger zu gleichen Teilen zurückzuverteilen.
Leider ist die Führungsspitze der Grünen Partei vor der Energielobby eingeknickt und spricht aktuell nur von einem unbedeutenden Betrag von 75 € pro Jahr. Mit einer dem Klima-Notstand angemessenen Erhöhung der CO2-Abgaben ließen sich in den nächsten Jahren aber Pro-Kopf-Beträge von 50-100 € pro Monat erzielen. Auf dieser Basis würde der übergroße Teil der Bevölkerung von den notwendigen Verhaltensänderungen profitieren und diese mittragen. Diese »Umverteilung« würde auf rein marktwirtschaftlicher Basis einen »tief greifenden Umbau der deutschen Wirtschaft« beschleunigen, der vorbildlich für viele Länder der Welt werden könnte. Schade, dass der Autor und das Handelsblatt diese Chance nicht erkennen und darstellen.
Lesen Sie hierzu auch: »Der Klimaschutz braucht einen CO2-Preis«, »Einen Kampf um CO2-Steuern« und »The day after: Grund-solidarisch aus der Corona-Krise!«
Klaus Willemsen, 09.09.2021
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