Demokratie und Meinungsherrschaft

Wie man Demokratie ad absurdum führt und wie man Wirtschaftsmacht in Herrschaftsmacht umwandelt, liest man exemplarisch in der ZEIT-Recherche über den Springer-Chef Mathias Döpfner: „Die einzige Chance, den endgültigen Niedergang des Landes zu vermeiden“ von Cathrin Gilbert und Holger Stark. Wer sich in den zurückliegenden Jahren darüber gewundert hat, mit welcher Dreistigkeit Dividenden- und Profitinteressen die Politik der Ampel-Regierung bestimmen, ist nach der Lektüre ernüchtert, schockiert und vermutlich um eine große Portion Zuversicht beraubt.

Die in der ZEIT veröffentlichten Döpfner Zitate zeigen, wie ein skrupelloser Egoist mit dem Segen einer Presse-Oligarchin ein Medienimperium benutzt, um Wähler zu manipulieren und Wahlen zu beeinflussen.

Selbst für viele liberale Wähler ist es schwer nachvollziehbar, warum der FDP Finanzminister daran festhält, den übermäßigen Spritverbrauch und besonders große und teure Autos weiterhin mit einem zweistelligen Milliardenbetrag aus Steuergeldern zu subventionieren. Es ist auch kein Ausdruck von Liberalität, die von der großen Mehrheit der Gesellschaft dringend geforderte CO2-Reduktion durch die Beibehaltung einer überholten Politik zu behindern. Das wissen auch Herr Wissing und Herr Lindner. Döpfner verrät uns in seiner Korrespondenz, warum die beiden liberalen Politiker ohne Kompromisse als Finanz-Lobbyisten agieren. Der Verlagschef hat Lindner die Springer-Meinungsmacht zur Seite gestellt, wenn er grüne Politik verhindert.

Für Lindner und die FDP bedeutet dies, sie hatten für die Wahl und darüber hinaus, die Springer Verlagsgruppe an ihrer Seite und damit u.A. die Bild-Zeitung, sprich ein Millionenblatt, dass die Meinung und die Wahlentscheidung der einfachen Leute beeinflussen kann.

»Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Schlachter selber!« Die Zeit-Recherche zeigt, wieso es dazu kommen kann. »Er hat so viel Angst« schreibt Döpfner über Lindner vor der Bundestagswahl. Es gehört wenig Fantasie dazu zu verstehen, dass Lindner heute vor allem Angst davor hat, die Interessen des Kapitals zu enttäuschen. Würde er damit doch die Unterstützung seiner omnipotenten Schutzmacht riskieren. So wird das demokratische Prinzip zur Farce [»Angelegenheit, bei der die vorgegebene Absicht, das vorgegebene Ziel nicht mehr ernst zu nehmen ist (und nur noch lächerlich gemacht, verhöhnt wird)« Duden].

Das gesellschaftliche Problem, dass sich hier manifestiert, ist nicht nur die Käuflichkeit unserer Demokratie, sondern auch der Widerspruch zwischen den Kapitalinteressen einer reichen Kaste und den (Über-)lebensinteressen der Bevölkerungsmehrheit. Döpfner, Lindner und ihresgleichen geht es unverblümt darum, den Staat zu benutzen und auszuplündern, um Dividenden, Bodenrenten und andere Kapitalerträge, gegen die Interessen der Allgemeinheit, abzusichern und zu steigern. Es geht ihnen nicht um Marktwirtschaft, es geht ihnen nicht um Leistungsgerechtigkeit und es geht schon gar nicht um Chancengleichheit oder Umweltschutz. Es geht um Besitz und es geht um Macht.

Bedenkt man den Hype um russische Hacker, die mit Fake-News demokratische Wahlen beeinflussen, macht es einen sprachlos, wie folgenlos dieser dreiste Machtmissbrauch – oder ist es schlicht gewünschter MachtGEBRAUCH – bleibt.

Der Skandal hinter dem Skandal ist dabei, wieso die Erbin Friede Springer ihre Anteile und ihre Stimmrechte im Wert von über einer Milliarde Euro einem so windigen Journalisten überlässt. Sie hätte diese Stimmrechte auch ihrer Stiftung und einem Kuratorium aus würdigen Persönlichkeiten anvertrauen können. Damit wäre eine so skrupellose Demokratiefeindlichkeit zumindest deutlich erschwert worden. Einer der fünf Leitsätze ihres Mannes lautete: »Wir setzen uns für eine freie und soziale Marktwirtschaft ein.« Mit ihrem Handeln hat sie dieser freien und sozialen Marktwirtschaft den denkbar größten Schaden zugefügt. In wessen Interesse?

Die einzige Chance, den endgültigen Niedergang des Landes zu vermeiden“ besteht bestimmt nicht darin, die Vermögen von Döpfner, Lindner, Merz und anderen auf Teufel komm raus, zulasten der Allgemeinheit, zu vergrößern. Die Chance, den Niedergang des Landes zu verhindern, liegt in einer funktionierenden Marktwirtschaft mit dauerhaft niedrigen Kapitalkosten und eben auch mit niedrigen und minimalen Kapitalerträgen. Die Macht, die entsprechenden Rahmenbedingungen auf den Weg zu bringen, liegt derzeit allerdings maßgeblich bei jenen, die daran kein oder nur ein geringes Interesse haben.


Klaus Willemsen, 20.04.2023


Verwendete Quellen:

https://www.zeit.de/2023/16/mathias-doepfner-axel-springer-interne-dokumente/komplettansicht

https://www.duden.de/rechtschreibung/ad_absurdum

https://de.wikipedia.org/wiki/Axel_Springer_SE

 

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