Die großen Wirtschaftsforschungsinstitute geben die Diskussion vor: Wirtschaftswachstum ist das entscheidende Kriterium und wird nicht hinterfragt. Nur durch die permanente Ausweitung von Produktion und Export ließe sich Wohlstand sichern. Wünschenswert sind für die führenden Ökonomen Wachstumsraten, die unsere Wirtschaftsleistung alle 25-30 Jahre verdoppeln. Als befände sich Deutschland in einer Wiederaufbauphase wie der Irak oder wäre es ein Entwicklungsland ohne nennenswerte Infrastruktur.
Bei Timo Wollmershäuser, dem Leiter der Konjunkturforschung des Ifo-Instituts in München, hört sich das so an: »Insgesamt also verlangsamt sich unsere Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte 2018 und wird wohl nicht mehr an die starken Raten des Vorjahres herankommen.« Wollmershäuser fragt nicht, welchen Nutzen Mensch und Umwelt haben, wenn immer mehr neue Autos produziert werden und immer mehr Menschen im Verkehrschaos immer mehr Zeit im Stau verbringen. Er fragt nicht, welche Konsequenzen es haben wird, wenn sich in zehn Jahren der Flugverkehr noch einmal verdoppelt hat. Er fragt nicht, warum sich trotz anhaltendem Boom im Wohnungsbau immer mehr Menschen eine angemessene Wohnung kaum mehr leisten können. Er verrät auch nicht, warum ein Land mit nahezu konstanter Bevölkerungsgröße Produktion, Konsum und Export immer schneller steigern muss.
Deutschlands führende Ökonomen fixieren nach wie vor ihr gesamtes Denken auf das permanente Wachstum, um so die Verteilungsproblematik ausblenden zu können. Anstatt zu fragen, warum auf immer größeren Schiffen, immer mehr Autos und andere Waren zwischen Kontinenten hin und her verschoben werden, preisen sie die Wachstumsdynamik dieser weltweiten Ressourcenverschwendung. Timo Wollmershäuser fragt nicht, wie sich ein reiches Land aus der Exportabhängigkeit befreien kann. Und er wird es auch nicht von den namhaften Wirtschaftsjournalisten gefragt. Lieber jammert er über fehlende Unterstützung von Seiten amerikanischer Politiker: »Eine demokratische Mehrheit im Kongress wird Trump nicht daran hindern, Autozölle zu erheben, wenn er das will. Die Demokraten sind keineswegs weniger protektionistisch orientiert als die Republikaner. Insofern dürfte dieses Konjunkturrisiko weiter bestehen bleiben.«.
Die Risiken für die deutsche, wie auch für die Konjunktur der Weltwirtschaft, sind weder die Handelszölle der USA noch der Fachkräftemangel hierzulande. Das entscheidende Konjunkturrisiko ist die Fantasie- und Perspektivlosigkeit von Ökonomen wie Timo Wollmershäuser.
Lesen Sie dazu auch »Drohung als Chance begreifen«, »Risiken und Chancen von Trumps Handelspolitik« und »Stabile Währung durch Haltegebühr auf Geld«.
Klaus Willemsen, 7.11.2018
Verwendete Quellen:
www.faz.net/aktuell/wirtschaft/oekonom-im-faz-net-gespraech-wie-geht-s-der-konjunktur-15877181.html
www.swp.de/wirtschaft/news/_wirtschaftsweisen_-legen-jahresgutachten-vor-28284738.html
www.inwo.de/medienkommentare/drohung-als-chance-begreifen/
https://www.inwo.de/medienkommentare/risiken-und-chancen-von-trumps-handelspolitik/
www.geldreform.eu/stabile-waehrung-durch-haltegebuehr-auf-geld/