»Krankenhäuser am Limit«

Die Doku auf ZDF-Info stellt die richtigen Fragen: »Brauchen wir radikale Reformen? Noch mehr Konkurrenz, noch mehr Gewinnstreben?« »Ökonomie geht vor Gesundheit« und »die Opfer: wir Patienten!« heißt es dort. Im Begleittext taucht der bemerkenswerte Satz auf: »Dass es ohne private Investoren geht, haben andere Länder bewiesen: Beispiel Dänemark. Wie ist das zu verstehen?

Seit Jahrzehnten wachsen die Geldvermögen weltweit deutlich schneller als die Sachvermögen. Unfassbare Summen drängen die Politik dazu, immer neue Investitions- und Gewinnmöglichkeiten zu schaffen. Bereits 2020 haben Max Uthoff und Claus von Wagner in »Krankenhaussystem à la Bertelsmann« die Konsequenzen für das Gesundheitssystem beschrieben, die sich aus der Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge ergeben; ZDF »Die Anstalt« vom 05.05.2020.

Es ist eine Notwendigkeit unserer kapitalistischen Geldstruktur, »Krankenhäuser als Profitzentren« (Uthoff / von Wagner) zu betreiben. Und wenn man nicht die medizinische Notwendigkeit, sondern die Möglichkeit Kapitalprofite zu erzielen, in den Vordergrund stellt, dann ist es auch möglich, Qualitätssteigerung bei sinkenden Kosten zu erzielen. Ein Schelm, der glaubt, dass diese sinkenden Kosten in einem ungünstigen Verhältnis zu den Löhnen der Beschäftigten und ihren Arbeitszeiten stehen. Investoren und Ökonomen können sich darüber freuen, dass private Krankenhäuser billiger sind und zusätzlich tolle Profite erzeugen. »Die vier großen Krankenhauskonzerne haben in Deutschland 2018 eine Milliarde Euro Gewinne erzielt« (Uthoff / von Wagner), in dem sie sich die Rosinen aus dem Kuchen picken. »Der Notfall rechnet sich nicht«, wussten Uthoff und von Wagner zu berichten. Und wäre man den »Fachleuten« aus dem Lobby-Dunstkreis der Bertelsmann-Stiftung gefolgt und hätte die Hälfte der deutschen Krankenhäuser abgewickelt, würden auch in Deutschland viele Notfallbetten fehlen.

Ärgerlich an der Sachlage ist jedoch nicht, dass gekaufte Lobbyisten Bilanzen in ihrem Sinne interpretieren. Richtig ärgerlich ist, dass selbst kritische Ökonomen und engagierte Politiker sich aufs schimpfen über Lobbyisten versteifen, anstatt die Ursachen zu benennen. Denn wollte man diese benennen und kritisieren, müsste man das Finanzsystem hinterfragen.

Die Geldvermögen nehmen weltweit immer weiter zu. Und will man aus der Kapitalisierung einiger gesellschaftlicher Bereiche aussteigen, braucht man in den übrigen Bereichen ein noch stärkeres Wachstum. Das wird noch immer in der PKW Produktion, der Pharmazie und aktuell in der Rüstungsindustrie realisiert.

Die Konsequenz ist die negative Verzinsung von Geldvermögen
Der Ausweg aus dieser Entwicklung besteht darin, die Menge des Anlage suchenden Kapitals zu verringern. Doch eine negative Verzinsung von Geldvermögen ist für Politiker*innen bis heute undenkbar. Selbst in der Corona-Rezession, bei einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von minus 6 bis minus 10 Prozent bleibt der Ruf nach einer Anpassung des Zinsniveaus aus. Es braucht gar nicht die Lobbykraft eines neoliberalen Think-Tanks wie der Bertelsmann-Stiftung, solange Alternative Ökonomen mit dicken Brettern vor dem Kopf herumlaufen und stolz darauf sind, die ökonomischen Zusammenhänge schlicht zu ignorieren.

Deshalb wird sich dieser Irrsinn weiter fortsetzen. Uthoff und von Wagner wussten 2020: »Nach der Krise werden die Kommunen kein Geld mehr haben und dann wird es mit den Krankenhausschließungen erst richtig losgehen.« Der heutige „Krankenhausgipfel“ zeigt die Aktualität dieser Vorhersage. Gesundheitsminister »Karl Lauterbach will nun das Krankenhauswesen zentralisieren und entökonomisieren«, lauten die Schlagzeilen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich in der Corona-Krise die privaten Geldvermögen um Billionen Euro vergrößert haben. Aufgrund des steigenden Zinsniveaus werden diese Kapitalien noch drängender profitable Investmentmöglichkeiten suchen - und finden!


Lesen Sie hierzu auch: »Ein Hoch der Negativzinspolitik in der FAZ«, »Die Wirtschaft braucht jetzt Negativzinsen« und »Pharmakonzerne, Gewinnmaximierung und Gesundheit«.


Klaus Willemsen, 14.03.2023

 

Verwendete Quellen:

https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/krankenhaeuser-am-limit-gewinne-auf-kosten-der-patienten-104.html

»Die Anstalt« vom 05.05.2020; www.zdf.de/comedy/die-anstalt/

https://rp-online.de/politik/deutschland/krankenhausgipfel-kritik-an-karl-lauterbachs-reformplaenen_aid-86575723

www.inwo.de/medienkommentare/ein-hoch-der-negativzinspolitik-in-der-faz/

www.inwo.de/medienkommentare/die-wirtschaft-braucht-jetzt-negativzinsen/

www.nachdenkseiten.de