Die Situation ist grotesk und zeigt die Verzweiflung der Automobilisten-Lobby. Kinder sterben, weil ihre Schulwege und Fahrradwege durch abgestellte Autos blockiert werden. Sichere Schulwege sind für die meisten Schüler eine Illusion, weil sich Stadtplaner nicht gegen die Lobbyisten der Blechlawinen durchsetzen können. Mit milliardenschweren Werbeetats und ebenso hohen Steuersubventionen wird alles Mögliche getan, um die Verkaufs- und Zulassungszahlen für PKW auch weiterhin nach oben zu treiben. Manche Straßen gleichen einem Messeparkplatz.
Die Folgen für die Kommunen beschreibt der Beigeordnete der Gemeinde Niederkassel, Helmut Esch wie folgt: Seit Jahren wird sich immer wieder »darüber beschwert, dass öffentliche Parkplätze belegt seien, dass die Kehrmaschine nicht durchkomme und Rettungswege nicht freigehalten würden«. Anstatt jedoch die Attraktivität der kostenlosen Stellplätze im knappen Straßenraum durch Nutzungsgebühren für das Abstellen der PKW zu verringern, wird die Gemeinde Niederkassel nun Garagenbesitzer zur Kasse bitten. »Die Garage sei oftmals mit Fahrrädern, Gartenmöbeln, dem Gartengrill oder gar Sperrmüll zugestellt«, zitiert der General-Anzeiger Bonn den Beigeordneten Esch. Das Problem der zugeparkten Straßen »ließe sich sicher abmildern, wenn mehr Garagenbesitzer diese auch zweckentsprechend nutzen würden, glaubt er, und genau darauf habe man mit der Pressemitteilung hinweisen wollen. ›Jedes Auto, das auf der Straße steht, ist ein Auto zu viel‹«, lässt sich Esch im GA zitieren.
Ein gefährliches Ablenkungsmanöver
Die Verantwortung liegt jedoch nicht, wie der Beigeordnete glauben machen will, bei den Garagenbesitzern, die ihre Garage für Fahrräder nutzen oder deren SUV gar nicht mehr hineinpasst. Die Verantwortung für blockierte Feuerwehrautos, Rettungswagen und gefährliche Schulwege liegt einzig bei den Kommunen. Diese weigern sich vielerorts, einen marktgerechten Preis für den knappen Straßenraum zu erheben und ausreichend Quartiersgaragen für den ruhenden Verkehr bereitzustellen. Stellplätze für PKW kosten in Wohngebieten 50 bis 200 € im Monat, in manchen Citylagen bis zu 600 €. Diese Kosten werden den Haltern zulasten der Allgemeinheit erspart, um eine Abkehr vom teueren PKW-Besitz in der Bevölkerung möglichst lange hinauszuzögern.
Um die Straßen wieder frei zu bekommen, Kostentransparenz und -gerechtigkeit herzustellen, müssen die Kommunen für jeden Stellplatz vor der Haustür den gleichen Preis verlangen, wie er im freifinanzierten Parkhaus nebenan berechnet wird. Dieses Geld darf aber nicht im Schuldenhaushalt der Gemeinde versickern. Es muss an alle Bürger, zu gleichen Teilen, als "Mobilitätsguthaben" zurückverteilt werden. Nur so lässt sich der Vorwurf der "Abzocke" von vornherein entkräften und eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung erzielen. Freie Straßen für freie Bürger!
Lesen Sie dazu auch »Drohung als Chance begreifen«, »Autos sind uns mehr wert als gute Pflege« und »Dieselfahrverbote – ein Ablenkungsmanöver«.
Klaus Willemsen, 6.12.2018 Verwendete Quellen:
www.inwo.de/medienkommentare/drohung-als-chance-begreifen/
www.inwo.de/medienkommentare/autos-sind-uns-mehr-wert-als-gute-pflege/
inwo.de/medienkommentare/dieselfahrverbote-ein-ablenkungsmanoever/