»Oxfam fordert höhere Steuern für Unternehmen und Superreiche«, titelt die Augsburger Allgemeine. Die Zunahme des Superreichtums ist gewaltig, wie Lukas von Hoyer mit Verweis auf von Oxfam veröffentlichte Zahlen dokumentieren kann: »Seit dem Jahr 2020 ist die Zahl der Milliardärinnen und Milliardäre deutlich gestiegen, das wird durch den Bericht schnell klar. Mittlerweile beträgt diese 2.668. Das sind 570 mehr als es noch 2020 der Fall war.« Systemverträglich und eingebettet in die Veranstaltung vermeiden die systemrelevanten NGO´s erneut Ursachen aufzuzeigen und Forderungen zu Beseitigung der Ursachen aufzustellen.
Stattdessen heißt es mit Verweis auf die absurde Entwicklung: »Wegen dieser Zahlen fordern Oxfam nun im Zuge des Weltwirtschaftsforums in der Schweiz höhere Steuern für Superreiche und große Unternehmen. Dadurch soll das soziale Sicherungssystem gestärkt und die Krisenfolgen abgefedert werden - so die Forderung des internationalen Verbundes verschiedener Hilfs- und Entwicklungsorganisationen.« Gut gebrüllt Tiger? Oder doch das Schnurren des Schmusekätzchen? Die nachgeordnete Besteuerung von Spitzenvermögen ignoriert Ursachen der Zerstörungs- und Umverteilungsdynamik. Letztlich wird so der status quo geduldet und die notwendigen Schritte werden geleugnet.
NGOs sind die Schoßkätzchen der Weltfinanz
Mit der zahnlosen Forderungen nach nachgeordneter Besteuerung der kleinen Gruppe Superreicher sind die vermeintlichen Kritiker willkommene Akteure im Club des internationalen Kapitalismus. Längst haben die Veranstalter erkannt, dass die explosive Reichtumsentwicklung stärker korrigiert werden muss. Andernfalls wird das gesamte Wirtschaftsgefüge schon bald auseinanderfliegen. Die Akteure in Davos wissen sehr wohl, dass die gewaltige Akkumulation des Reichtums in absehbarer Zeit die letzten noch funktionierenden Strukturen der Marktwirtschaft zerstören wird. Und mit diesen Strukturen werden auch die meisten Akteure in diesem Spiel von der Bildfläche verschwinden.
Lukas von Hoyer schreibt zur Struktur der Veranstaltung: »Das Weltwirtschaftsforum im Schweizer Alpenort Davos ist eine große Plattform, auf welcher Themen der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Politik besprochen werden können. Fast 2.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus diesen Bereichen zusammen. Übergeordnete Ziele sind Fortschritte dabei, eine Balance zwischen sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlichem Profit zu finden.« Zum Selbstverständnis gehört es, wie es auch für erfolgreiche Konzernstrukturen selbstverständlich ist, Kritiker und Querdenker einzubeziehen und deren Einwände bei der Entwicklung von Zukunftsstrategien zu berücksichtigen.
Grenzen der Selbstkritik
Für Klaus Schwab und das Forum ist es bis heute jedoch ein Tabu, die Selbstalimentation des Kapitals infrage zu stellen. Dass der Boden und das Finanzkapital leistungslose Vermögenszuwächse generieren und damit die Gesetze des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs konterkarieren, steht nicht zur Diskussion. Leider haben auch die weltweit agierenden NGOs dieses Tabu weitgehend verinnerlicht, um als Gesprächspartner anerkannt zu werden. Vergeblich sucht man nach Forderungen, die Bodenrente zugunsten der Bevölkerung abzuschöpfen und leistungslose Einkommen - im Gegensatz zu Arbeitseinkommen und Unternehmereinkommen - rigoroser zu besteuern. Maßnahmen, die die Privilegien der Besitzenden ernsthaft infrage stellen, kommen in Davos nicht auf die Tagesordnung. Erneut wird eine Chance auf ernsthaften Wandel vertan.
Dabei würde die differenzierte Betrachtung von Kapitalerträgen und das Hinterfragen von exponentiellen Wachstumsverläufen im Kapitalbereich zum Motto des Weltwirtschaftsforum 2022 passen: "Geschichte an einem Wendepunkt: Regierungspolitik und Geschäftsstrategien". Doch auch dieses Jahr steht, von Befürwortern wie Kritikern krampfhaft übersehen, der weiße Elefant im Scheinwerferlicht, der da heißt: „Wachstum, Wachstum über alles!“
Lesen Sie hierzu auch: »Das globale Wirtschaftssystem beruht auf der Ausbeutung von Naturkapital«, »Systemfragen ehrlich und zukunftsgewandt beantworten«, »Endspiel des Kapitalismus« und »Stabile Währung durch Haltegebühr auf Geld«.
Klaus Willemsen, 24.05.2022
Verwendete Quellen:
www.inwo.de/medienkommentare/systemfragen-ehrlich-und-zukunftsgewandt-beantworten/
www.inwo.de/medienkommentare/endspiel-des-kapitalismus/
www.geldreform.eu/stabile-waehrung-durch-haltegebuehr-auf-geld