In einem Forums-Beitrag zur Wachstumsdiskussion schreibt Dr. R. W. Ralfs: »Ansonsten ist plattes Wachstum-Bashing und Ablehnen von Marktwirtschaft imo genauso naiv wie fehlgeleitet. Hier gilt es Wachstum und Marktwirtschaft ökologisch-sozial auszurichten (Ralf Fücks hat das doch bestens aufgearbeitet, Intelligent Wachsen) statt - was ja sonst nur übrig bleibt - quasi Ökodiktatur bzw. Ökosozialismus anzustreben.« Diese Gleichstellung von Wachstum und Marktwirtschaft mit der scheinbar zwingenden Gegenüberstellung von Diktatur und Ökosozialismus ist bezeichnend für die Ideologisierung dieser Diskussion. Tatsächlich wird hierbei nicht erwogen, wie wir Wohlstand für alle sichern und bewahren können ohne auch weiterhin die gesamtwirtschaftliche Leistung permanent und Jahr für Jahr in die Höhe treiben zu müssen.
Die Diskussion um grünes Wachstum beschränkt sich dabei schon lange nicht mehr auf grüne Parteien. Es geht um die Rechtfertigung von Milliarden-Investitionen und entsprechend hoher, neuer Schulden zahlreicher öffentlicher Kassen, um Investitionsstandarts internationaler Kapitalgesellschaften und um die Rechtfertigung des Kapitalismus, der seit 200 Jahren die Lebensgrundlagen der Menschheit nachhaltig zerstört.
Grünes Wachstum ist eine politische Strategie, heißt es dazu bei Wikipedia. Grünes Wachstum ist jedoch längst eine Ideologie und ein Kampfbegriff, der benutzt wird, um die herrschenden Macht- und Besitzverhältnisse über die globale Klimakatastrophe hinaus zu rechtfertigen und zu sichern.
Ohne Wachstum geht es nicht, behaupten viele Protagonisten und stützen sich dabei auf prominente wie den Autor Ralf Fücks. Fücks behauptet, die Weltwirtschaft könne »intelligent wachsen« und so eine grüne Revolution begründen. Der Europa-Abgeordnete Sven Giegold unterstellt sogar, dass selbst das Finanzkapital ein Anrecht darauf hat, durch einen immer während positiven Zins endlos zu wachsen.
Beide Annahmen sind falsch und verlogen. Die dahinter steckende Ideologie muss seit Jahrzehnten dafür herhalten, dass sich entwickelte Länder auf Kosten weniger entwickelter Länder bereichern. Dass große Konzerne auf Kosten unzähliger Konkurrenten Monopolisten werden. Und dass Reichtum immer weiter akkumuliert.
Natürlich kann man das Dogma vom nachhaltigen Wachstum mit Beispielen ausschmücken und begründen. Dabei sprechen wir aber meist über nette Projekte und nur selten über Milliarden-Investitionen, die unser Wirtschaftsgeschehen ausmachen.
Seit den siebziger Jahren wurde die Wachstumslüge immer wieder widerlegt. Nichts Materielles kann ewig wachsen, ohne seine Basis irgendwann zu zerstören. Ein Krebsgeschwür wächst exponentiell, bis es seinen Wirt umgebracht hat. Der Ressourcenverbrauch, der Konsum, die Weltproduktion, Schulen und Geldvermögen, die Menschheit an sich, … ohne die Aussicht auf eine Umkehr zu einem negativen Wachstum, bewegt sich alles auf eine Katastrophe zu. Dennoch findet eine kritische Hinterfragung in den Medien, in den Forschungsinstituten und in allen relevanten Gremien nicht statt. Die Heinrich-Böll-Stiftung, das Wuppertal Institut und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung bilden hierbei keine Ausnahmen.
Ein Großteil des Wachstums der letzten 50 Jahre hat den Wohlstand bzw. die Lebensqualität vieler Menschen in der Welt bedroht oder sogar zerstört. Dafür können wir zahllose Beispiele aufführen. Das Wachstum der Agrarkonzerne zerstört die Lebensgrundlagen von Millionen bäuerlichen Familien. Gleiches gilt für das Wachstum der Agrarexporte in weniger entwickelt Länder. Die exportabhängigen Fabriken in Niedriglohnländern dienen nicht der Wohlstandsmehrung der einheimischen Bevölkerung. Sie beuten diese aus und verhindern die Entwicklung einer gesunden, regionalen Ökonomie. Der Motor des Wachstums ist in den meisten Fällen die Vermehrung des Reichtums der Kapitalbesitzer. Dabei ist es relativ egal ob es sich um Korruption handelt um Machtmissbrauch oder um die allgemein akzeptierte strukturelle Bereicherung.
Wir müssen darüber diskutieren, warum Gesetze so gestaltet werden, dass Konzerne wachsen, dass Reiche reicher werden, dass immer mehr Produktion scheinbar notwendig ist um unseren Wohlstand zu sichern. Um es noch deutlicher zu sagen, wer behauptet, wir brauchen in Europa ein gesamtwirtschaftliches Wachstum, um unseren Wohlstand zu sichern, der lügt!
Klaus Willemsen, 28.09.2020
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