Kerstin Tack, Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Arbeit und Soziales, spricht im TELEPOLIS-Interview mit Manuel Schumann über Kinderarmut, Kindergrundsicherung und soziale Gerechtigkeit. Das Thema ist verworren und das Problem vielschichtig. Sollte man die Eltern mehr unterstützen, oder den Fokus stärker auf die Infrastruktur legen. Fördert man vor allem die „bedürftigen“ Kinder oder sollte der Sozialstaat gleichermaßen alle Kinder im Auge haben? Für Kerstin Tack ist klar, »dass niemand wegen der eigenen Kinder arm werden darf. Und Kinder, die unter schwierigeren Bedingungen aufwachsen, sollen die gleichen Chancen im Leben haben wie alle anderen auch. Was wir deshalb brauchen, sind angemessene Leistungen einer Kindergrundsicherung und eine gute und umfassende Unterstützungsinfrastruktur vor Ort«.
Doch wie kann man Missbrauch verhindern, wenn man jedem Kind eine tatsächlich ausreichende, staatliche Grundsicherung zuspricht? Und kann man überhaupt eine Gerechtigkeitslücke vermeiden, wenn man Kinder von „bedürftigen“ Eltern finanziell stärker unterstützt als Kinder von berufstätigen Eltern? Kann oder will man verhindern, dass Familien von ihrem Kindergeld leben? Seit Jahrzehnten hat die SPD immer wieder Verbesserungen für die Lebensumstände der Kinder in unserem Land erzielt. Dennoch ist deren Lage zuhause, in der Schule und in der Freizeit vielfach trostlos und beschämend für unser Land.
Reichtum schonen und Armut verwalten
Die Sozialpolitikerin sagt: »Wir wissen seit Langem, dass besonders Kinder von Alleinerziehenden armutsgefährdet sind«. Und weiter: »Die SPD diskutiert schon lange mit der Wohlfahrtspflege, wie man eine solche Kindergrundsicherung umsetzen und ausgestalten könnte«. Die Äußerungen weisen auf das Problem. Um das Konzept nicht zu teuer erscheinen zu lassen konzentriert man sich weiter auf einen begrenzten Teil der Kinder. Das birgt Nachteile. Vor allem erzeugt es weiteren bürokratischen Aufwand, verlangt Abgrenzungen und erzeugt immer neue Ungerechtigkeit.
Man füttert das Bürokratiemonster um ein möglichst günstiges Modell zu erschaffen. Bloß um den Eindruck zu vermeiden, man wolle den Reichen nicht noch tiefer in die Taschen greifen. Um dem Vorwurf der Bürokratisierung entgegenzuwirken, hat die SPD-Bundestagsfraktion bei ihrer Jahresauftaktklausur auf ein »Konzept gedrängt, mit dem familienpolitische Leistungen gebündelt werden sollen, um bedürftigen Kindern ein Existenzminimum zu garantieren«. Der Bonner General-Anzeiger zitiert: »So erarbeiten auch die Arbeits- und Sozialminister der Bundesländer derzeit ein Konzept für eine Zusammenfassung der Leistungen für einkommensschwache Familien, zunächst von Kindergeld, Kinderzuschlag und dem Bildungs- und Teilhabepaket«.
Das System verwaltet sich zu Grunde
Warum bloß dieser ganze Popanz, möchte man der Sozialdemokratie entgegenschleudern. Bürokratie geht meistens zulasten der Schwächeren. Die wirklich Bedürftigen sind dem oft nicht gewachsen, und der Verwaltungsaufwand verschlingt einen Großteil sozialer Leistungen, der dann bei den wirklich Bedürftigen fehlt. Kinder sind die Grundlage unserer Existenz und jedes Kind sollte uns gleich viel wert sein.
Wenn ein Kind 650 € pro Monat kostet, sollte dieser Betrag jedem Kind zur Verfügung stehen. Der Staat kann den Erziehungsberechtigten ein entsprechendes Guthabenkonto zur Verfügung stellen, von dem aus alle Leistungen rund ums Kind abgebucht werden können. Besteht der Verdacht, dass die Mittel für kinder-fremde Leistungen verwendet werden, kann man den Zugriff auf das Konto auf lizensierte Anbieter beschränken und so Missbrauch von vornherein ausschließen. Gerecht ist, wenn jedes Kind dem Staat gleich viel wert ist. Und Bürokratieabbau bedeutet, dass möglichst alle Leistungen zusammengefasst werden. Sinnvollerweise könnte man auch alle Bildungsausgaben zusammenfassen und jedem Kind ein gleich großes Bildungsguthaben zur Verfügung stellen. Davon würden dann die Bildungsträger den jeweils entsprechenden Beitrag für den Kindergartenplatz, die Schule, den Ausbildungsplatz oder das Studium abbuchen. Alle Schulen könnten, frei von kommunaler Planwirtschaft, frei agieren.
Fazit
Ein Kinder Grundeinkommen von circa 650 € ist heute schon umsetzbar. Wenn man alle aktuellen Kosten zusammenzieht, einschließlich steuerlicher Freibeträge, und konsequent die damit verbundene Sozialbürokratie einspart. Etwaige Finanzierungslücken sollte man dort abschöpfen, wo sie am üppigsten wachsen: bei den Bodenrenditen. Das wäre sozial, gerecht, modern und mutig.
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Klaus Willemsen,19.1.2019
Verwendete Quellen:
www.general-anzeiger-bonn.de/news/politik/SPD-plant-Kindergrundsicherung-article4015148.html
medienkommentare/spd-bundesfinanzminister-scholz-mimt-den-mieterfreund/
medienkommentare/vergeigt-olaf-scholz-einen-elfmeter-fuer-die-spd/