»Strafzinsen für kleine Sparguthaben gesetzlich untersagen«, fordert die Co-Spitzenkandidatin der Linkspartei, Janine Wissler. Im Gleichklang mit den Lobbyisten des Finanzkapitals spricht sie von »Strafzinsen der Europäischen Zentralbank« und versucht den Eindruck zu erwecken, als würden gewöhnliche Arbeiter und Angestellte durch die Negativzinspolitik der Zentralbank belastet. Dabei weiß man auch bei der Linkspartei sehr genau, dass man schon einen Millionenbetrag auf dem Tagesgeldkonto haben muss, um mehr „Strafzinsen“ berechnet zu bekommen als ein durchschnittlicher Bürger durch die niedrigen Zinsen entlastet wird. Diese Forderung der Linkspartei kommt keinem „Kleinsparer“ zugute. Sie spielt aber jenen in die Hände, die eine Abkehr von der Nullzinspolitik anstreben, um ihre Kapitaleinkünfte wieder auf das Niveau vergangener Jahrzehnte zu steigern.
Es entgeht Frau Wissler scheinbar, dass es bei der Geldpolitik der EZB um Negativzinsen auf Giroguthaben geht. Vor allem aber unterschlägt sie die geltenden Freigrenzen. Beträge zwischen 25.000€ und 100.000€ sind bisher die Regel. Wo lebt man, wenn man Personen, die es sich leisten können deutlich mehr als 50.000€ über einen langen Zeitraum hinweg auf dem Girokonto zu parken, noch als Kleinsparer wahrnimmt? Frau Wissler übersieht auch, dass man dem Negativzins sehr einfach durch längere Festlegung entgehen kann, oder durch eine zweite Bankverbindung. Kleinsparer brauchen dafür nicht an die Börse zu gehen, noch nicht einmal Aktiensparen ist nötig!
Der Negativzins drängt Giroguthaben ganz sanft in längere Anlagen oder ermuntert vielleicht auch mal jemanden, wenn sogar die großen Freigrenzen überschritten werden, ein bisschen was einfach auszugeben! Auch so entgeht man dem Negativzins und belebt sogar noch die Konjunktur! Gute Konjunktur belebt die Nachfrage nach Arbeitskräften, auch das kommt eher Kleinsparern zugute. Es macht das Kreditgeschäft der Banken deutlich risikoärmer, wenn sie mehr längerfristige Einlagen erhalten, und nicht in kurzfristigen gewissermaßen ertrinken. Für die Unternehmen sind längerfristige Bankkredite für seriöse Investitionen notwendig. Tagesgeldkonten werden vor allem zu spekulativen Transaktionen gehalten. Kurzfristige Einlagen der "Sparer" haben das Kreditgeschäft risikoreich(er) gemacht. Das gewaltig ausgeweitete Volumen an täglich fälligen Einlagen erzwingt darüber hinaus die ständige Ausweitung der Geldmenge. Ist das wirklich gewollt?
Und noch ein Gedanke zu den Kleinsparern, die durch die Forderung nach einem Verbot von Negativzinsen geschützt werden sollen: Die Kritik an den Negativzinsen blendet aus, dass gerade die kleineren Sparer insgesamt sehr viel mehr Zins bezahlen als sie selbst erhalten! Wie das?? Diese Zinsen sind in jedem Produktpreis enthalten, denn produzierende Unternehmen als Kreditnehmer kalkulieren diese Kosten selbstverständlich in die Produktpreise ein. Etwas platt ausgedrückt: Damit Banken positiven Zins bezahlen können, muss der Kreditzins entsprechend hoch sein. Wir kleinen Leute finanzieren die positiven Zinsen, die wir möglicherweise auf unsere Sparguthaben erhalten, durch die Preise, die wir bezahlen, selbst. Aber daneben finanzieren wir noch viel mehr Zinsen, die den wirklich Vermögenden zufließen.
Der EZB geht es bei dem Instrument der Negativzinsen darum, das Volumen der längerfristig festgelegten Einlagen zu vergrößern, denn diese haben einen weiteren positiven Effekt: Sie senken den Preis, sprich den Einlagenzins, den die Geschäftsbanken an ihre Sparer (Einleger) zahlen. Und sie senken dadurch auch den Kreditzins!
Schade, dass solche Zusammenhänge in der Linkspartei offenbar nicht erkannt werden!
Alwine Schreiber-Martens, Klaus Willemsen 31.08.2021
Lesen Sie hierzu auch: »Die Wirtschaft braucht jetzt Negativzinsen«, »The day after: Grund-solidarisch aus der Corona-Krise!« und »Stabile Währung durch Haltegebühr auf Geld«
Verwendete Quellen:
https://www.die-linke.de/?id=3665&tx_news_pi1%5Bnews%5D=82738
/medienkommentare/die-wirtschaft-braucht-jetzt-negativzinsen/
/boden-aktuell/the-day-after-grund-solidarisch-aus-der-corona-krise/
https://www.geldreform.eu/stabile-waehrung-durch-haltegebuehr-auf-geld