»Die Sparvermögen von Kleinsparern müssten dann dran glauben – sie würden ebenfalls entwertet.« Eine FOKUS-FakeNews-Kampagne?

»Uns droht der gefährlichste Zock der Geldgeschichte«, überschreibt FOCUS-MONEY-Redakteur Timo Baudzu seinen Beitrag zur EZB-Geldpolitik. Ein Feuerwerk aus Irreführung und Desinformation. »Strafzinsen für alle« heißt es da, von »Zombiefirmen und Zombiebanken« ist die Rede und von der »Entwertung der Sparvermögen« durch Negativzinsen.

»Auf den Punkt gebracht: Wer sparen will, zahlt künftig drauf!«, schreibt Baudzu wahrheitswidrig. Das Parken überschüssiger Liquidität bei der Notenbank kostet seit Jahren eine Parkgebühr, die immer mehr Geldhäuser an die Verursacher, ihre Kunden mit zu hohen Tagesgeldkonten, weiterreichen. Ursache ist der dramatische Überhang an Liquidität und die marktwirtschaftliche Reaktion darauf ist eine Gebühr. Baudzu jedoch macht aus dieser logischen Konsequenz einen Sündenfall: »Die Commerzbank tut es, die Deutsche Bank tut es – und die Volks- und Raiffeisenbanken sind ebenfalls dabei. Sie alle planen den Bruch des letzten Tabus.« In einem Werbeeinschub für ein FOCUS MONEY Heft greift man direkt die EZB-Chefin Christine Lagarde an: »Diese Frau experimentiert mit Ihrem Geld - Dieses Heft zeigt, warum eine weitere Entwertung das Sparvermögen droht, wieso die Flucht in Aktien kommt und was das für die Kurse bedeutet.«

Der Beitrag zitiert die EZB-Chefin zur Entwicklung der Leitzinsen im Euro Raum: »„Es gibt eine Grenze, wie weit und wie tief man in den negativen Bereich vordringen kann“, sagte Lagarde jüngst in einem Interview. „Es gibt bei allem einen Boden, aber den haben wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erreicht.“« Warum ein negativer Leitzins wie in Japan oder der Schweiz volkswirtschaftlich sinnvoll ist, findet keine Erwähnung. Der Autor versäumt es auch, den Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Geldmengenwachstum darzustellen. Es wird ihm nicht fremd sein, dass es einer Volkswirtschaft mit negativem Wachstum über einen längeren Zeitraum nicht möglich ist, positive Kapitalrenditen zu finanzieren. Jedenfalls nicht ohne ernsthaft Schaden zu nehmen an den Produktionsbedingungen, der Umwelt und den sozialen Verhältnissen der Bevölkerung.

Renditen vor Löhne

In der Wirtschaftskrise zahlen zunächst die Arbeitenden und alle Bedürftigen in vielfacher Weise. Auch viele Unternehmen zahlen einen hohen Preis. Nur die Grundbesitzer und das Finanzkapital haben genügend Macht, eine Beteiligung an den Krisenkosten zu verhindern. Der Focus-Autor verdreht eine notwendige Mitverantwortung zu einem Bedrohungszenario: »Spätestens in der nächsten Rezession dürfte es so weit sein. In der Vergangenheit mussten die Zentralbanken die Zinsen um etwa vier bis fünf Prozentpunkte senken, um eine Krise zu stoppen. Bei einem derzeitigen Leitzins von null ist klar, wohin die Reise dann geht.« »Für Bankkunden wäre dies der Super-GAU. Die Geldinstitute wären unweigerlich gezwungen, nicht nur ihre vermögende Privatkundschaft mit Strafzinsen zu belasten. Bis dato gelten Freigrenzen von 100.000 Euro und mehr. Das wäre dann passé. Auch die Sparvermögen von Kleinsparern müssten dann dran glauben – sie würden ebenfalls entwertet.«

Liebe Focus Redaktion, Giro- und Tagesgeldkonten sind nicht der geeignete Parkplatz für Sparvermögen. Wer spart legt Geld für später zurück und hortet es eben nicht auf dem Girokonto. Tagesgeldkonten dienen der Spekulation. Die Geldgebühr, von ihnen liebevoll »Strafzins« genannt, braucht der Markt, weil die Summen auf den Tagesgeldkonten absurd groß geworden sind. Durch echtes sparen kann man diese Gebühren jederzeit vermeiden. Und nebenbei: die Hälfte aller deutschen haben keine Ersparnisse. Und von der anderen Hälfte habe die meisten ein so geringes Giro-Guthaben, dass die »Strafzinsen« geringer ausfallen als die Kontoführungsgebühren.

Weiter heißt es in dem Beitrag: »Ein negativer Leitzins dürfte den Ausbruch einer kommenden Krise jedoch kaum verhindern.« Dem kann man zustimmen. Denn auch die kommende Krise bricht aus, weil unser Wirtschaftssystem, das auf permanentem Wachstum basiert, die ökologischen Grenzen dieses Wachstums ignoriert hat. Die Schlussfolgerung, die der Autor daraus jedoch zieht, ist absurd. Er schreibt: »Im Gegenteil: Es ist wahrscheinlich, dass er (der negativer Leitzins) die marktwirtschaftliche Ordnung sogar weiter destabilisiert – und dem ohnehin schwächelnden Produktivitätswachstum in der Euro-Zone endgültig die letzte Ölung verpasst. Denn Geld, das keinen Preis mehr hat, zieht unweigerlich zwei Dinge nach sich: erstens schlechte Investitionen, die sich nicht mehr rechnen müssen. Und zweitens eine kolossale Ausweitung der extremen Schuldenberge.«

Dreifach Unsinn in einem Absatz

1. Das Geld hat auch weiterhin einen Preis, wenn auch vorübergehend einen negativen. Jeder Unternehmer weiß, ein Überangebot einer Ware kann zu Preisen unter den Produktionskosten führen und damit zu Verlusten. Es hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun, wenn Grundbesitz und Geldvermögen auch in Zeiten von negativen Wirtschaftswachstum positive Renditen erzwingen können

2. Negative Preise für Investitionskredite führen nicht zwingend zu »schlechten Investitionen«. Jedenfalls nicht, wenn die Geschäftsbank ihre Arbeit weiterhin gut erledigt. Investitionen können sich sehr wohl auch, und gerade dann, solide und sinnvoll rechnen, wenn sie keine nennenswerte Kapitalrendite erwirtschaften müssen. Gefährlich und schädlich für die Gesellschaft und die Investoren wird es dann, wenn die Zinssätze zu stark und zu schnell ansteigen.

3. »Geld, das keinen Preis mehr hat«, womit wohl der Zins um null gemeint ist, führt zu einer »kolossale Ausweitung der extremen Schuldenberge«, behauptet der Autor. Doch das Gegenteil ist richtig: je geringer die Zinsbelastung desto größer ist die Chance des Schuldners, seine Schulden abzubauen. Bei steigenden Zinssätzen wird die Zinslast größer, ohne dass die Erträge steigen. Dadurch geraten gesunde Unternehmen und solide Geschäftsideen in Schieflage.

»Entwertung der Sparvermögen«

Entlastungen durch niedrige Zinssätze hat der Autor mit Verweis auf den öffentlichen Sektor, in einem Nebensatz, aufgegriffen: »Viele europäische Staatsanleihen weisen bereits negative Renditen aus. Gut für die Schuldner, schlecht für Sparer, die mit Zinsprodukten fürs Alter vorsorgen.« Auch hier unterschlägt er den zweiten Teil der Rechnung. Die Vermehrung der angesparten Rente durch Zins und Zinseszins wurde den späteren Rentner vorab über höhere Preise, zusätzliche Steuern und geringere Löhne bereits weggenommen. Bei der „privaten“ Rente kommt noch hinzu, dass sich „private“ Konzerne an den Rücklagen der Rentner bereichern. Schlecht für den Sparer ist es, wenn der private Rentenversicherungsträger Dividenden auszahlt, anstatt seine Rücklagen in solide Firmen zu investieren.

Zweifelsfrei schlecht wird es dagegen für alle Sparer, wenn die Ausweitung der Geldmenge langfristig eine Geldentwertung nach sich zieht. Denn weder die Geldgebühr doch die Kontoführungsgebühren entwerten das Vermögen. Dies erledigt ausschließlich die Inflation. Diese wiederum wird getrieben durch die permanente Ausweitung der Zentralbank Geldmenge. Welche Frau Lagearde und ihre Vorgänger betrieben, weil die privaten Geldvermögen auf Tagesgeldkonten gehortet werden und nicht im notwendigen Maße der Wirtschaft und den Banken als langfristige Geldanlagen zur Verfügung stehen. Focus: »Die seit 1. November amtierende EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte bereits vor ihrem Amtsantritt deutlich gemacht, dass sie eine sehr lockere Geldpolitik auf absehbare Zeit für nötig hält. Lagarde hatte aber auch gesagt: "Wir müssen die negativen Folgen und Nebeneffekte im Blick behalten"«.

Gerade weil die „Ersparnisse“ der Geldhalter den Banken eben nicht langfristig und zu marktentsprechenden Konditionen zur Verfügung stehen, muss der Kreditmarkt mit immer neuem Zentralbankgeld vollgepumpt werden. Eine Wirtschaft ohne Wachstum braucht Kredite zu Zinsen um null. Ein solides Bankgeschäft braucht entsprechend langfristige Einlagen unter null, um von den Zinsmarge auch in Zukunft leben zu können. Negative Leitzinsen sind daher mitnichten »der gefährlichste Zock der Geldgeschichte«, sondern die dringend notwendige Anpassung der Geldpolitik an die Bedürfnisse des Marktes und die ökologischen Rahmenbedingungen.

Lesen Sie hierzu auch: »Zentralbanken könnten Negativzinsen weiter senken (IMF-Studie)«, »Negativzinsen auf 35 Prozent der weltweiten Geldvermögen« und »The day after: Grund-solidarisch aus der Corona-Krise!«


Klaus Willemsen, 28.05.2021

Verwendete Quellen:

www.focus.de/finanzen/boerse/negativzinsen-gefaehrlichster-zock-der-geldgeschichte-droht-uns-jetzt_id_11392003.html

www.inwo.de/medienkommentare/zentralbanken-koennten-negativzinsen-weiter-senken-imf-studie/

www.inwo.de/medienkommentare/negativzinsen-auf-35-prozent-der-weltweiten-geldvermoegen/

www.geldreform.eu/stabile-waehrung-durch-haltegebuehr-auf-geld