Glasklar, wie kaum ein zweiter seiner Zunft, benennt er das Dilemma der Notenbanken: »Ihre Negativzinsen wirken nur, wenn die Leute nicht ins Bargeld flüchten.« Damit ist von vornherein klar: Wer akzeptiert, dass steigende Zinslasten für die dramatisch hoch verschuldeten Gesellschaften keine akzeptable Perspektive darstellen, der muss Maßnahmen gegen die Bargeldhortung ergreifen. Der Titel seines Beitrags »Negativzinsen – oder das Ideal vom schrumpfenden Geld« vom 18. April 2016 beinhaltet eine Botschaft: Negativzinsen auf Zentralbankgeld können nur im Zusammenspiel mit Gebühren für die Bargeldhortung funktionieren. »Wer nämlich das Geld unter der Matratze aufbewahrt, kann den Negativzins einfach umgehen«, schreibt Steck zutreffend.
Steck benennt gute Gründe für eine Geldgebühr und zitiert zahlreiche namhafte Protagonisten. Sein Eingangssatz: »Der Staat kann mit dem Schuldenmachen Geld verdienen«, bleibt auffällig ohne Wertung. Ein funktionierender Staat braucht Einnahmen und es spricht nichts dagegen, diese Möglichkeit zu nutzen. Der Autor könnte an dieser Stelle klarstellen, dass sich negative Renditen für Staatsanleihen aus dem weltweiten Überangebot an Ersparnissen und nicht unmittelbar aus den negativen Zentralbankzinssätzen ergeben. Doch das wird den meisten sachkundigen Lesern auch ohne diesen Hinweis klar werden.
Um den Eindruck zu unterstreichen, dass er zu den Kritikern einer Geldgebühr gehört, verwendet der Autor den ideologischen Kampfbegriff "Schwundgeld". Im Text hebt er aber, etwas verklausuliert, hervor, dass die Geldgebühr, als Ergänzung der negativen Notenbankzinsen, über den Konsum die Wirtschaft ankurbeln kann. Sein direkt auf diese Hervorhebung folgendes Dementi ist wachsweiche Ideologie und im entscheidenden, ökonomischem Punkt unzutreffend: »Persönlich halte ich sowohl die Negativzinsen als auch das Schwundgeld für gefährliche technokratische Utopien. Sie suggerieren, man könne den wirtschaftliche(n) Fortschritt zentral gesteuert, quasi per Knopfdruck, erzwingen. Dazu müsse man lediglich ein bestimmtes «Fehlverhalten» der Menschen korrigieren, hier: die als schädlich taxierte Neigung zum Sparen«.
Diese angenommene Gefahr ließe sich durch eine versuchsweise dezent eingeführte Geldgebühr leicht aus der Welt schaffen. Weiter unten hebt der Autor hervor: »Im Vergleich (zur Abschaffung des Bargeldes, KWW) ist das Schwundgeld ein weniger krasser Eingriff: Er könnte graduell eingeführt werden und liesse sich jederzeit widerrufen«. Als wäre diese selbst vorgenommene Widerlegung seines eigenen Arguments noch nicht ausreichend, wird auch seine fehlerhafte Analyse deutlich. Geldgebühren, wie auch negative Zentralbankzinsen, erzeugen Kosten bei der Hortung von Geld. Durch die Übertragung der Kaufkraft auf andere, sprich beim Sparen und beim Konsumieren, entgeht man dagegen dieser Gebühr.
An dieser Stelle lässt der Autor erkennen, dass ihn die neue Struktur verunsichert. Er schreibt: »Doch wenn jemand aus Gründen der Vorsicht sein Kapital lieber aufsparen will: Wird ihn ein Strafzins oder schrumpfendes Bargeld dazu führen, dass er plötzlich mehr konsumiert? Wohl kaum. Stattdessen wird er misstrauisch reagieren und den Gürtel noch enger schnallen.« Was aber meint Steck mit »den Gürtel noch enger schnallen«? Um der Bargeldgebühr zu entgehen, wird man nicht mehr Bargeld abheben, als zum alltäglichen Gebrauch notwendig ist. Um die Negativzinsen auf seinem Girokonto gering zu halten, wird man so viel wie möglich langfristig ausleihen. Langfristiges Ausleihen verursacht aber keine Liquiditätskosten in Form der Gebühr, während diese Ersparnisse, durch eine dann gänzlich vermeidbare Inflation, dauerhaft wertstabil bleiben. Vielleicht geht der Autor aber auch seiner eigenen suggestiven Wortwahl vom Schwund- bzw. Schrumpfgeld auf den Leim? So wenig der Wert eines Autos schrumpft, weil der Halter eine Parkgebühr entrichtet, so wenig führt eine Geldgebühr dazu, dass ein Geldvermögen kleiner wird. Die Parkgebühr sorgt dafür, dass der Platz so bald wie möglich wieder freigegeben wird, und die Geldgebühr sorgt dafür, dass die Liquidität weitergegeben wird.
Das Resümee von Albert Steck lautet: »Gleichwohl halte ich auch das Schwundgeld für eine gefährliche Idee. Schon lange vor der Einführung würden die Leute nach Ersatzwährungen suchen, welche keiner Entwertung unterworfen sind. Dazu gehören nicht nur Gold und die digitale Währung Bitcoin, sondern ebenso Einkaufsgutscheine, Geschenkkarten oder Telefonguthaben. Weitere Möglichkeiten zur Umgehung wären zum Beispiel Vorauszahlungen bei der Krankenkasse oder bei den Steuern.« Hier irrt der Autor komplett. Gerade die Wirkung der Geldhaltegebühr, eine tatsächlich inflations- und deflationsfreie Währung zu ermöglichen, wird das Vertrauen der Bürger in diese Währung vergrößern.
Sicherlich wird ein massives Kapital-Überangebot die Kapitalrenditen weiter unter Druck setzen. Dafür aber werden alle Beschäftigten von einem höheren Arbeitsertrag und von einer sinkenden Kapitalbelastung profitieren. Die langfristige Stabilität und Sicherheit, die eine sich exponentiell vermehrende Währung nicht bieten kann, ist für den Bürger ein hohes Gut. Gegen das Nutzen von Einkaufsgutscheinen, Geschenkkarten oder Telefonguthaben wird kein Ökonom ernsthafte Einwände haben. Und sollte der Bürger geneigt sein, Kassenbeiträge und Steuern im Voraus bezahlen zu wollen, werden auch die Migros Bank und Albert Steck dies nicht als Beweis einer falschen Finanzpolitik interpretieren wollen. Entsprechende Feldversuche werden die Vorteile für alle Beteiligten an den Tag bringen. Lesen Sie dazu bitte auch „Stabile Währung durch Haltegebühr auf Geld“ und "Das Verwirrspiel geht weiter".
Klaus Willemsen, 19.04.2016
Verwendete Quelle: blog.migrosbank.ch/de/negativzinsen-oder-das-ideal-vom-schrumpfenden-geld/