Die Wirtschaftswoche kritisiert sogar: »Ein jahrzehntelanges Versagen der Finanzverwaltung und des Gesetzgebers wird jetzt offensichtlich. Denn seit der Erhebung der Einheitswerte Anfang der Sechzigerjahre sind Wohnungen, Häuser und Grundstücke in der Bundesrepublik nie wieder neu bewertet worden. Dabei sollte dies eigentlich alle sieben Jahre geschehen.« (Wirtschaftswoche 16.1.18)
Die Bodenwerte sind derweil kontinuierlich angestiegen und in den Metropolen gerade in den letzten Jahren regelrecht explodiert. Die daraus resultierenden Belastungen sind für Millionen Mieter und Gewerbetreibende zu einer existenziellen Bedrohung geworden. Mit der Bodenspekulation werden, zulasten der Allgemeinheit, Milliardengewinne erzielt. Am Steueraufkommen werden die Spekulationsgewinne kaum oder gar nicht beteiligt. Wie ist dies möglich?
Beim Thema Modernisierung der Grundsteuer ist die Entwicklung menschlich durchaus nachvollziehbar. Nahezu alle Protagonisten in Politik, in Verwaltung, oder den Verbänden gehören dem Bürgertum an, das auf eigenem Grund in den eigenen vier Wänden lebt. Ob gekauft oder geerbt, die Besteuerung des eigenen Bodens hält man beinahe unisono für ungerechtfertigt, eine Anhebung auf jeden Fall aber für unangemessen. In der Annahme, dass man mit einer Neubewertung der Bodenwerte persönlich finanziell schlechter gestellt würde, schwindet naturgemäß die Motivation, an Veränderungen mitzuarbeiten.
Drohen dennoch gesetzgeberische Aktivitäten, steht eine starke Lobby mit Argumenten bereit. »Die Bundesregierung verteidigte in Karlsruhe das Ausbleiben der Reform damit, dass dies mit hohem Personalaufwand verbunden sei und das Steueraufkommen zugleich gering sei im Vergleich etwa zu anderen Steuern«, weiß die Rheinische Post zu berichten (RP 16.1.18). Und tatsächlich nimmt man an, dass es 6-10 Jahre dauern wird, bis alle Gebäude und Grundstücke neu bewertet werden können. Doch dieses Problem ist hausgemacht und vorgeschoben - ein raffinierter Winkelzug der Spekulantenlobby. Die problematische Preisentwicklung hat wenig mit den Kosten und den Werten der Gebäude zu tun, analysiert Die Zeit (2/2018, S. 22ff): »Knapp und daher … so umworben ist vielmehr das Land.« Ausführlich beschreibt die Wochenzeitung die gesellschaftlichen Probleme und benennt an einer Stelle auch die eigentliche Ursache der Entwicklung. Doch die Berichterstattung über einen zweckmäßigen Lösungsansatz bleibt sie ihren Lesern schuldig.
In der Rubrik »Meinung« erlaubt sich die Rheinische Post dagegen ein klares Statement gegen die Interessen der Bodenspekulanten, auf deren Anzeigenbudget auch sie angewiesen ist: »Der Gesetzgeber muss die Grundsteuer reformieren. Ein gutes Modell liegt bereit. Man könnte die Bodenrichtwerte als Grundlage nehmen, denn sie bestimmen den Wert der Grundstücke recht aktuell. Das würde den Fiskus vor komplizierten Neubewertungen bewahren und für mehr Gerechtigkeit sorgen. Die Politik sollte sich jetzt Gedanken machen«, fordert Martin Kessler (RP 17.1.18).
Die komplizierte Verquickung der Bodenwerte mit den Gebäudewerten machte die Erhebung der Grundsteuer personalintensiv, ungerecht, ökonomisch kontraproduktiv und ökologisch bedenklich. Investitionen in den Gebäudewert sind gesellschaftlich gewünscht und individuelle Leistungen der Besitzer. Es macht daher keinen Sinn, sie durch steigende Steuern zu belasten. Der Wertzuwachs eines Grundstücks dagegen entsteht aus der Leistung der Gesellschaft. Diesen angemessen zu besteuern und Spekulationsgewinne dem allgemeinen Steueraufkommen zuzuführen, ist vernünftig, gerecht und sozial. Neben anderen Verbänden fordert daher auch der Deutsche Mieterbund »die Grundsteuer künftig als reine Bodensteuer zu erheben. Das würde der Spekulation entgegenwirken.« (RP 16.1.18) Wie zur Besänftigung der einflussreichen Bodenklientel formuliert die Rheinische Post aber auch Folgendes: »Am einfachsten und garantiert verfassungsfest wäre es, die Grundsteuer abzuschaffen, zumal sie als Bestandssteuer ohnehin umstritten ist.« (RP 16.1.18)
Diese Anschauung ist in zweierlei Hinsicht falsch. Solange ich von einem Arbeitseinkommen von 50.000 € 42 % an Steuern zur Finanzierung des Gemeinwesens hergeben muss, kann es im Sinne der Verfassung nicht gerecht sein, meinen Spekulationsgewinn, den ich ausschließlich der Infrastrukturentwicklung meiner Gemeinde zu verdanken habe, unversteuert zu lassen. Ferner hat sich mit dem Bodenwert meines Grundstücks auch dessen Ertrag mitunter deutlich gesteigert. Diesen Ertrag gilt es dort abzuschöpfen wo er entsteht, mit der Grundsteuer. Verzichtet der Staat darauf, überlässt er diesen Gewinn den internationalen Investoren, womit er der Gesellschaft verloren geht und die Spekulation weiter angeheizt wird.
Lesen Sie dazu auch »Bodenspekulation verhindert Wohnungsbau«, »Grundsteuer: Zeitgemäß!«
Klaus Willemsen, 17.1.2018
Verwendete Quellen: