Mauer des Schweigens

Unzählige Menschen, als Gewerbetreibende, als Unternehmer oder als Privatpersonen sind in ihrer Existenz bedroht. In nahezu allen Fällen sind Miet- oder Pachtforderungen maßgeblich verantwortlich. Dennoch findet sich kaum eine Stellungnahme, die die üppig fließenden Einnahmen der Grundbesitzer infrage stellt.

Die Privatisierung der Bodenrenten ist das zentrale Problem der Corona-Rezession. Die Grundeigentümer erzielen nach wie vor gewaltige Renditen ohne das Risiko der Gewerbetreibenden tragen oder teilen zu müssen. Erst die Grundeigentümer, die auf geerbten oder längst abbezahlen Grundstücken stetig steigende Pachteinnahmen erzielen, machen aus Umsatzrückgängen in vielen Fällen eine Existenzvernichtung. Der Handelsverband Deutschland, als Vertreter für 400.000 selbständige Unternehmen, sollte hier auf politische Lösungen dringen. Leider hat man sich dort mit einer dezenten Umfrage an einige Einzelhändler zufrieden gegeben. Das wenig überraschende Ergebnis: »Viele Vermieter von Gewerberäumen sind nicht zu Erleichterungen für Mieter in der Coronakrise bereit. Das geht aus einer Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) unter 245 Einzelhändlern hervor, über die das „Handelsblatt“ berichtet. Demnach war der Versuch der Einzelhändler, mit ihren Vermietern Gespräche über eine Anpassung ihres Mietvertrags zu führen, in zwei Dritteln der Fälle erfolglos«, schreibt die Presse Augsburg. Dabei ist schon die Fragestellung eine Farce. Welche Antwort erwartet man von gierigen Großschlachtern auf die Frage, ob sie bereit wären nur noch Tiere aus Freilandhaltung zu schlachten? Die Privatisierung der Bodenrente und ihre gesellschaftlichen Kosten sind ein Politikum, das auf politischer Ebene diskutiert und gelöst werden muss. Dass es der Bodenlobby weiterhin gelingt, die privilegierte Position der Bodenbesitzer aus allen Diskussionen über die Bewältigung der Krisenfolgen herauszuhalten, zeigt wie mächtig und einflussreich diese Lobby ist. In einem sehr aufschlussreichen Beitrag über die Entwicklung der Bodenpreise in Düsseldorf-Oberkassel behauptet Alexander Esch in der Rheinischen Post: »Das liegt natürlich vor allem daran, dass Düsseldorf wächst.« Kein Wort verliert er darüber, dass der knappe Boden in erster Linie ein Investitions- und Spekulationsobjekt ist. Kein Wort darüber, wie man mit einer Bodenwertabgabe gegensteuern könnte. Die monotone Botschaft in den Medien lautet: Baut immer mehr Wohnungen. Selbst dann, wenn klar ist, dass diejenigen, die Wohnungsnot haben, sich die neuen Wohnungen auf dem teuren Boden gar nicht leisten können. Selbst dann, wenn immer mehr teure Wohnungen einfach leer stehen bleiben. Und das, obwohl längst erwiesen ist, dass die anhaltende Preissteigerung ausschließlich den Reichtum der Grundbesitzer bedient. Dabei liegt zumindest für einige Gewerbetreibende ein gesetzlicher Ausweg auf dem Tisch der Verantwortlichen. »Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will das Mietrecht ändern. Der Plan: Wegen Corona angeordnete staatliche Beschränkungen von Gewerbebetrieben sollen regelmäßig als "Störung der Geschäftsgrundlage" (§ 313 BGB) gelten. Für Vermieter würde das etwa bedeuten, Miete mindern zu müssen.« (Haufe Online, 18.11.2020) Das Handelsblatt berichtet von konkreteren Plänen der SPD-Ministerin: »Lambrecht will deshalb für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse „gesetzlich klarstellen, dass Beschränkungen infolge der Covid-19-Pandemie regelmäßig eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellen“. Dadurch werde die Verhandlungsposition der Gewerbemieter und Pächter gestärkt.« Den Konflikt macht Dietmar Neuerer im Handelsblatt sogar noch etwas deutlicher, wenn er schreibt: »Stefan Genth vom Handelsverband HDE kritisierte die Rolle der Verbände der Immobilienwirtschaft. Denn anders als von diesen behauptet seien große Teile der Vermieter nicht bereit, die besonderen Risiken der aktuellen Krisensituation mit ihren Vertragspartnern zu teilen. Sie wollten diese ausschließlich bei ihren Mietern abladen. „Der Gesetzgeber muss die Blockadehaltung der Immobilieneigentümer endlich aufbrechen“, mahnte Genth.« Noch wichtiger wäre es, dass Politiker, die an der Ausgewogenheit und gerechten Entwicklung in unserer Gesellschaft arbeiten, ihre Hausaufgaben machten. Der in den letzten 20 Jahren erzielte Gewinn aus dem Bodenwertzuwachs muss endlich abgeschöpft und pro Kopf an die Bevölkerung zurück verteilt werden. Die Milliarden-Gewinne der immer größer werdenden Immobiliengesellschaften müssen an die Mieter und Pächter zurück verteilt werden, die diese Gewinne erwirtschaften. Es ist die sich im Boden immer deutlicher darstellende Ungleichheit zwischen den Arbeitenden und den Besitzenden, die für Millionen Menschen zur ökonomischen Existenzbedrohung geworden ist. Eine absurde Entwicklung, bedenkt man, dass die Reichtumsentwicklung der Immobilienfondsbesitzer und Grundeigentümer keine sozialpolitischen noch explizit ökonomische Vorteile für die Gesellschaft bringt. Es ist die Stunde der Politikerinnen und Politiker, die Mauer des Schweigens einzureißen und Vorschläge zu machen, um die Verarmung von Millionen Menschen wirksam zu stoppen. Einen Hinweis gibt Professor Löhr aktuell im Handelsblatt: »Die Abschöpfung der Erträge aus Lagevorteilen kann ausreichen, die gesamten fixen Kosten der Kommunen zu finanzieren.«

Klaus Willemsen, 27.12.2020

Lesen Sie hierzu auch: »Linker Plan gegen Bodenspekulation?«, »In was für einer Stadt leben wir eigentlich?« und »Grundsteuer: Zeitgemäß!«.

Verwendete Quellen:

https://presse-augsburg.de/umfrage-viele-handelsvermieter-lehnen-mietanpassungen-ab/670387/

https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/duesseldorf-so-hat-sich-der-wohnungsmarkt-entwickelt_aid-54694355

https://www.haufe.de/immobilien/wirtschaft-politik/mietenmoratorium-gesetzgeber-reagiert-auf-corona-krise_84342_512414.html

https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/umfrage-zur-coronakrise-viele-handelsvermieter-lehnen-mietanpassungen-bei-corona-notlagen-ab/26683996.html

https://www.handelsblatt.com/meinung/kolumnen/homo_oeconomicus/gastkommentar-homo-oeconomicus-wir-sollten-leistungslose-einkommen-statt-leistung-besteuern/26719646.html

/medienkommentare/linker-plan-gegen-bodenspekulation/

/medienkommentare/in-was-fuer-einer-stadt-leben-wir-eigentlich/

https://www.grundsteuerreform.net/