Ein Hoch der Negativzinspolitik in der FAZ

Zu den derzeit »wichtigen unkonventionellen Instrumenten der Notenbank« gehören maßgeblich die Negativzinsen. Die EZB-Ökonomen Boucinha und Burlon haben in einer aktuellen Untersuchung deren Wirkungsweise dargelegt. Der FAZ-Redakteur Christian Siedenbiedel dokumentiert in seinem Kommentar diese, von Mainstream-Ökonomen bisher weitgehend missachtete Entwicklung. Der geneigte Leser könnte den Eindruck bekommen, dass hierbei die geldpolitischen Forderungen der INWO aufgegriffen wurden.

»Die EZB-Ökonomen Miguel Boucinha und Lorenzo Burlon kommen (...) zu dem Ergebnis, die Negativzinspolitik habe zu einer verstärkten Kreditvergabe der Banken an die Realwirtschaft geführt«, heißt es in der FAZ. Ausdrücklich verweist Siedenbiedel auf das Problem der Geldortung, das Silvio Gesell bereits vor über 100 Jahren beschrieb: »Unter anderem wird die Möglichkeit angesprochen, dass die Menschen als Reaktion verstärkt Bargeld horten könnten, statt ihr Portfolio zugunsten von längerfristigeren und riskanteren Wertanlagen umzuschichten. Im Augenblick aber gebe es keine starken Anzeichen für so ein Leckwerden („leakage“) des Bankensystems, schreiben die Autoren.« Aus Sicht der INWO fehlt hier lediglich ein kurzer Hinweis, dass diese Möglichkeit des „Leckwerdens“ die Notenbanker davon abhält, die Leitzinsen - wie in der aktuellen Corona-Rezession angemessen - noch deutlich weiter abzusenken.

Siedenbiedel hebt jedoch die positiven Effekte der Negativzinsen hervor, indem er den EZB-Aufsatz im „Economic Bulletin“ wie folgt zitiert: »Die Autoren legen besonderen Wert auf die Untersuchung der Wirkungskanäle der Negativzinsen. Diese hätten nicht nur die Erwartungen der Marktteilnehmer beeinflusst, die zuvor negative Zinsen nicht für möglich gehalten hätten, und die Nachfrage von Investoren nach längerfristigen Vermögenstiteln erhöht. Die negativen Einlagezinsen für Banken bei der Notenbank drängten auch Kreditinstitute mit Erfolg, ihre Kreditvergabe auszuweiten, um die Zahlung von Negativzinsen zu vermeiden.«

Wie auch die INWO immer wieder betont hat, müssen die Geschäftsbanken in die Lage versetzt werden, negative Zinsen auf das Bargeld bzw. auf die kurzfristigen Einlagen zu berechnen. Andernfalls würden »die Bankmargen leiden«, mit negativen Folgen für die Banken. Mit diesem Problem beschäftigt sich das IMF Working Paper No. 19/84 (4/2019) der Autoren Ruchir Agarwal und Miles Kimball. Die Autoren fordern »administrative kleine Maßnahmen seitens der Zentralbanken«, die »tiefe Negativzinsen ermöglichen«. Kimball und andere machen seit Jahren darauf aufmerksam, dass der Spielraum für Zinssenkungen weit in den Minusbereich hinein durch eine Geldgebühr erweitert werden kann bzw. muss. Siehe dazu: »Warum ich für die Bargeldgebühr bin«.

Lesen Sie hierzu auch: »Jubel bei Landwirten und Bauernverbänden?«, »Sehr geschätzter Herr Christian Siedenbiedel,...« und »Stabile Währung durch Haltegebühr auf Geld«.

Klaus Willemsen,15.05.2020


Verwendete Quellen:

www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ezb-lob-der-negativzinsen-16768205.html

www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2019/04/29/Enabling-Deep-Negative-Rates-A-Guide-46598

www.klaus-willemsen.de/2020/05/03/warum-ich-fuer-die-bargeldgebuehr-bin/

www.inwo.de/medienkommentare/jubel-bei-landwirten-und-bauernverbaenden/

www.inwo.de/medienkommentare/sehr-geschaetzter-herr-christian-siedenbiedel/

www.geldreform.eu/stabile-waehrung-durch-haltegebuehr-auf-geld/